Tochter Der Traumdiebe
berühren, als ich jedoch die Hand ausstreckte, verschwand auch die Waffe. Ich wusste dennoch genau, dass ich es mir nicht eingebildet hatte. Irgendwie würde das Schwert mich wiederfinden.
Vorher sollten noch einmal Fritzi und Franzi zu mir kommen. Noch während sie mich schlugen, unterhielten sie sich über mein Standvermögen. Sie dachten, ich könnte »noch einen vertragen«, und dann würden sie mich für ein oder zwei Tage in Ruhe lassen oder mich vielleicht sogar freilassen. Major von Minct wurde später am Tag erwartet, vielleicht hätte er eine Idee.
Als die Tür zuknallte und ich eingesperrt in der Dunkelheit zurückblieb, sah ich sofort wieder meinen Doppelgänger. Die Gestalt glühte beinahe von innen heraus. Sie näherte sich der Koje. Ich drehte unter Schmerzen den Kopf herum, doch der Mann war verschwunden. Ich wusste, dass es keine Halluzinationen waren. Ich hatte das Gefühl, ich würde das Schwert wiedersehen, wenn ich die Kraft fand, zum Bett zu gehen.
Irgendwie gab mir der Gedanke wie aus dem Nichts neue Kraft. Stückchen für Stückchen kroch ich zur Koje, und dieses Mal berührte ich kaltes Metall. Den Griff des Rabenschwerts. Nach und nach schob ich die Finger weiter, bis sie sich um den Griff schließen konnten.
Vielleicht waren es die Illusionen eines Sterbenden, doch das Metall fühlte sich völlig real an. Als meine Hand den Griff fasste, schien das Schwert ein leises Summen von sich zu geben, als wollte es mich begrüßen. Wie eine schnurrende Katze. Ich war fest entschlossen, es nicht mehr loszulassen, es nicht wieder verschwinden zu lassen, auch wenn ich nicht einmal die Kraft hatte, es zu heben.
Seltsam, aber das Metall schien wärmer zu werden, es schien Energie in meine Hände und Handgelenke zu übertragen, bis ich genug Kraft fand, um mich auf die Koje zu ziehen und mit dem Körper das Schwert vor jedem abzuschirmen, der in die Zelle spähen mochte. Das Metall schien zu vibrieren, als wäre das Schwert ein Lebewesen. Einerseits fand ich den Gedanken beunruhigend, andererseits lange nicht mehr so bizarr, wie ich ihn noch vor einigen Monaten empfunden hätte.
Ich weiß nicht, ob ein Tag oder eine längere Zeit verging. Mein Kopf war voller Bilder und Geschichten. Das Schwert hatte mich irgendwie infiziert. Vielleicht war es spät am Abend desselben Tages, als Franzi und Fritzi zu mir kamen. Sie hatten Gefängniskleidung mitgebracht und brüllten mich an, ich solle aufstehen. Sie redeten davon, dass Major von Minct mich sehen wollte.
Ich hatte meine ganze Kraft gesammelt und gebetet, dass dieser Augenblick bald kommen möge. Ich hatte das Schwert mit beiden Händen gepackt und als ich mich umdrehte, hob ich die Klinge und legte mein ganzes Körpergewicht in den Hieb. Die Spitze traf den kleinen dicken Franzi in Höhe des Magens und glitt mit beängstigender Leichtigkeit durch seinen Leib. Er schluckte. Fritzi hinter ihm stand vor Angst wie angewurzelt da und wusste nicht, wie ihm geschah.
Franzi schrie. Es war ein langer, kalter, gequälter Schrei. Als er aufhörte, stand ich auf den Beinen und hinderte Fritzi daran, die Tür zu erreichen. Er schluchzte. Offenbar hatte er aus irgendeinem Grund Angst vor mir. Wahrscheinlich lag es an meiner unvermuteten Kraft. Ich war von einer nervösen, seltsamen Energie erfüllt. Aber ich war froh darüber. Ich hatte Franzis Lebenskraft ausgesaugt und in meinen eigenen Körper übertragen. So widerlich diese Vorstellung auch scheinen mag, ich betrachtete sie völlig kühl, während ich mit geübten Bewegungen Fritzi den Knüppel aus der roten Bauernpranke schlug und ihm die Schwertspitze direkt ins heftig schlagende Herz trieb. Blut spritzte in die Zelle und auf meine nackte Haut.
Ich lachte und auf einmal formten meine Lippen ein fremdes Wort. Ein Wort, das ich bisher nur in Träumen gehört hatte. Es gab noch andere Worte, die ich aber nicht erkannte.
»Ariochl«, schrie ich, während ich tötete. »Ariochl«
Immer noch nackt, mit gebrochenen Rippen und zerschlagenem Gesicht, auf Beinen, die kaum mein Gewicht tragen wollten und mit Armen, die viel zu schmächtig schienen, um die große Eisenklinge zu halten, nahm ich Franzis Schlüssel und tappte durch den dunklen Flur. Unterwegs schloss ich alle Zellentüren auf. Ich traf nicht auf Widerstand, bis ich das Wachzimmer am Ende des Ganges erreichte. Dort dösten ein paar fette SA-Männer vor ihren Bierkrügen. Sie bemerkten kaum, dass sie getötet wurden, so schnell fuhr ihnen mein Eisen in
Weitere Kostenlose Bücher