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Tochter Der Traumdiebe

Tochter Der Traumdiebe

Titel: Tochter Der Traumdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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war es mein Doppelgänger gewesen? Arbeiteten sie zusammen? War sie meine Retterin? Ich war beeindruckt von den Möglichkeiten der Weißen Taube und gehorchte ihr. Ich hatte mich ja bereits in den Dienst der Geheimgesellschaft gestellt und war bereit, ihre Befehle zu befolgen.
    Die Kampfeslust wich langsam von mir. Doch die seltsame, dunkle Energie blieb. Ich fühlte mich, als hätte ich eine starke Droge genommen, die möglicherweise gefährliche Nebenwirkungen hatte. Doch etwaige Konsequenzen waren mir gleichgültig. Ich konnte mich endlich an den brutalen Menschen rächen, die schon so viele Unschuldige ermordet hatten. Ich war nicht stolz auf die neuen Gefühle, die durch meinen Körper tobten, aber ich schob sie auch nicht zurück.
    Ich folgte der Frau mit der Kapuze ins Kampfgetümmel auf dem Hof hinaus und weiter zum Haupttor. Die Wächter waren schon tot. Die Jägerin blieb stehen und zog die Pfeile aus den Toten, während sie die Tore aufsperrte und mich nach draußen führte, gerade als die Notbeleuchtung aufflammte. Jetzt stürmten auch die befreiten Gefangenen zu den Toren und rannten an uns vorbei in die Nacht hinaus. Wenigstens ein paar von ihnen würden nicht namenlos, entwürdigt und unter Qualen sterben müssen.
    Als wir die offene Landstraße erreichten, hörte ich, wie ein Wagen angelassen wurde. Scheinwerfer flammten auf und ich hörte drei kurze Hupsignale. Meine Jägerin führte mich zur Limousine. Ein gut aussehender Mann von etwa vierzig Jahren saß am Volant. Er trug eine dunkle Uniform, die ich nicht einordnen konnte, und salutierte hinterm Lenkrad, ohne auszusteigen. Er ließ den Wagen schon anrollen, als wir neben ihm einstiegen. Er sprach Deutsch, allerdings mit deutlich englischem Akzent. Es schien mir, als sei der britisehe Secret Service bereits in Deutschland aktiv. »Es ist mir eine Ehre, Sie kennen zu lernen, mein lieber Graf. Ich bin Captain Oswald Bastable, Luftschiffpilot - und stehe zu Ihren Diensten. Die Geschäfte gehen in dieser Gegend seit kurzem besser. Wir haben hinten Kleidung für Sie, aber wir können erst später anhalten. Der Zeitplan ist sehr eng bemessen.« Dann wandte er sich an meine Begleiterin. »Er will sie nach Morn bringen.«
    Einige Schüsse ließen vor uns Dreck hochfliegen, mindestens eine Kugel traf den Wagen.
    Meine Kampfeslust war inzwischen völlig abgeflaut und ich betrachtete meinen ramponierten Körper, eigentlich nur noch eine unförmige Masse von Blut und Quetschungen. Und splitternackt war ich. Mit einem blutigen Langschwert in den gebrochenen Fingern der rechten Hand. Ich bot gewiss einen albtraumhaften Anblick. Ich wollte dem Engländer danken, wurde aber auf dem Sitz herumgeworfen, als der Duesenberg mit seinem starken Motor beschleunigte und uns rasch über eine Landstraße trug, während uns von vorn zahlreiche Scheinwerferpaare entgegenkamen. Zweifellos die SA-Trupps aus Sachsenburg.
    Captain Bastable ließ sich nicht beeindrucken. Er schob sich Armbinden mit Nazi-Abzeichen über die Ärmel. »Sie tun besser so, als hätten Sie das Bewusstsein verloren«, sagte er zu mir. Als der erste Lastwagen sich näherte, bremste er ab und winkte befehlsgewohnt. Er entbot den Hitlergruß und redete rasch auf den anderen Fahrer ein, um ihm zu erklären, dass er vorsichtig sein müsse. Gefangene würden fliehen, sie hätten viele Wächter gefangen genommen und gezwungen, Häftlingskleidung anzuziehen, um sie anschließend in die Umgebung zu jagen. Wenn sie Männer erschossen, ohne sich vergewissert zu haben, wen sie vor sich hatten, dann könnte es sein, dass sie ihre eigenen Leute töteten.
    Diese groteske Geschichte sollte für gehörige Verwirrung sorgen und konnte vielleicht sogar einigen Häftlingen das Leben retten. Die abschließende Bemerkung, er müsse dringend nach Berlin, überzeugte die SA-Männer, die ohnehin nicht zu den hellsten gehörten. Sie brausten in die Nacht davon.
    Bastable fuhr mehrere Stunden lang mit hoher Geschwindigkeit, bis wir auf einer schmalen Bergstraße einen dunklen Fichtenwald erreichten. Ich erinnerte mich noch gut an den Harz, in dem ich als Junge oft gewandert war. Schließlich sah ich einen Wegweiser nach Magdeburg. Noch dreißig Kilometer. Sachsenburg lag östlich von Magdeburg, das seinerseits nördlich vom Harz lag. Wieder ein Hinweisschild an einer Kreuzung. Halberstadt, Magdeburg und Berlin auf einer Seite, nach Bad Harzburg, Hildesheim und Hannover ging es in die andere Richtung. Wir fuhren in Richtung

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