Tochter Der Traumdiebe
ohnehin eine natürliche Affinität zur Dunkelheit. Sie suchten sie geradezu.
Was mich betraf, so tat die wundervolle Erkenntnis, dass eine solche Welt existierte, meiner Sehnsucht, wieder herauszukommen, keinen Abbruch. Halb tot wie ich war, erinnerte mich diese Welt zu sehr an ein Grab.
Doch offensichtlich genas ich auf irgendeine Weise. Was es auch für ein Medikament war, das Oona mich zu trinken zwang, es kräftigte mich auf eine Weise, wie es das Schwert nicht vermocht hätte. Sogar die Schmerzen von den Knochenbrüchen, von den zerfetzten Muskeln und vom gepeinigten Fleisch wurden zu einem dumpfen und einigermaßen erträglichen Schmerz gedämpft. Ich fühlte mich frischer und sauberer, fast wie daheim, nachdem ich früh am Morgen im Fluss schwimmen gewesen war.
Ich fragte mich, ob ich überhaupt noch ein Heim besaß. Hatte mein Vetter Gaynor seine Drohung wahr gemacht und mein Haus Stein um Stein niedergelegt?
Vielleicht glaubte er inzwischen, ich wäre im Besitz des Kelchs und des Schwerts und er würde darauf verzichten, Bek und seinen Bewohnern etwas anzutun. Aber das würde wiederum bedeuten, dass er irgendwo hier war, entschlossen, das Schwert für sich zu ergattern und in seinem Irrsinn völlig sicher, dass ich den Ort kannte, wo ein sagenhafter und wahrscheinlich überhaupt nicht existierender Heiliger Gral zu finden sei.
Das Brüllen schien uns völlig einzuhüllen. Wir wurden zu einem Teil davon, wir näherten uns seiner Quelle, als wären wir hypnotisiert. Es gab kein Entrinnen, denn genau dort lag unser Ziel.
Die Stäbe des Travois als Krücken benutzend, das Schwert mit einem seltsam faserigen, starken Stück Stoff, das Oona mir gegeben hatte, über den Rücken geschlungen, konnte ich inzwischen sogar neben ihr humpeln. Das Licht war jetzt so hell wie das Blitzpulver, das die Fotografen benutzten. Es blendete und machte mich benommen. Oona musste bald die getönte Brille aufsetzen, ich schob mir den Jägerhut tief in die Augen. Im Grunde waren wir blind und taub und mussten uns langsam und vorsichtig bewegen.
Das Phosphoreszieren hing wie ein breites Band in einem weiten Halbkreis vor uns am Horizont und versank, fast wie ein Regenbogen, in der Dunkelheit. In größerer Entfernung konnten wir einen weiteren glühenden Bereich ausmachen, viel breiter als das riesige Lichtband, das die Dunkelheit der gewaltigen Höhle durchbrach. Nirgends war das Dach des Gewölbes zu sehen. Es musste ungeheuer hoch sein, möglicherweise mehr als einen Kilometer. Das Tosen ging von derselben Quelle aus wie das Licht. Und von dort, so bemerkte ich jetzt, kam auch die Wärme.
Wenn so tief unter der Erde komplexe Lebensformen existierten, dann wusste ich jetzt wenigstens, wie sie ohne Sonnenlicht überleben konnten.
Die Luftfeuchtigkeit verriet mir, dass wir uns dem Fluss näherten, den Bastable erwähnt hatte. Auf die ersten Anzeichen, dass wir ihm wirklich nahe waren, war ich jedoch nicht im Mindesten vorbereitet. Blinzelnden Glühwürmchen ähnlich, schienen die Felsen in jenem silbrigen Strahlen, das wir vor uns sahen, zum Leben zu erwachen. Kleine Sterne blühten auf, verblassten in der Luft und rieselten auf uns herab.
Eine Flüssigkeit. Zuerst dachte ich, es müsse Quecksilber sein, dann aber konnte ich erkennen, dass es gewöhnliches, wenngleich ungewöhnlich stark phosphoreszierendes Wasser war, das aus einer Quelle kam, die der Oberfläche zweifellos näher war, sich vielleicht im Boden eines Gewässers befand.
Oona schien sich mit der Flüssigkeit auszukennen. Als sie eine Pfütze fand, formte sie die Hände zu einer Schale und bot mir zu trinken an. Das Wasser schmeckte frisch. Jetzt glühten auch ihre Hände, sodass sie einer grell gemalten Heiligen aus einer billigen Bibel ähnelte. Wenn sie die Haare zurückschob, war ihr Kopf einen Augenblick lang von einem Heiligenschein umgeben. Wo immer ein Wassertropfen uns traf, wurden wir mit kleinen Juwelen und funkelndem Quecksilber geschmückt. Sie gab mir zu verstehen, dass ich noch mehr trinken könne, wenn ich es wollte. Sie bückte sich und trank auch selbst. Eine Weile glühten ihre Lippen silbrig und die roten Augen starrten mich fröhlich und begeistert an. Sie schien mein Staunen zu genießen. Ein paar Sekunden lang beleuchtete das Wasser, das durch ihre Kehle glitt, sogar von innen die Adern und Organe, sodass sie durchsichtig schien.
Ich war von diesen Eindrücken wie verzaubert. Ich wollte unbedingt mehr darüber erfahren, doch das
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