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Tochter Der Traumdiebe

Tochter Der Traumdiebe

Titel: Tochter Der Traumdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Brüllen betäubte uns und es war immer noch schwer, den Horizont direkt anzuschauen.
    Während das phosphoreszierende Wasser auf unsere Köpfe und Körper rieselte und uns mit winzigen funkelnden Sternen besprenkelte, liefen wir glatte, schlüpfrige Felsen hinauf bis zu dem Punkt, an dem die riesige Mauer aus Licht sich sanft nach unten zu neigen begann.
    Endlich konnten wir die Ursache des Tosens erkennen. Es war ein Anblick, der alles in den Schatten stellte, was ich je auf meinen Reisen gesehen hatte. Ein Weltwunder, gewaltiger als die sieben, die die Bewohner der Oberfläche immer noch in Erstaunen versetzen. Ich habe oft gesagt, dass die Weltwunder ihre Namen zu Recht tragen. Sie können nicht fotografiert oder gefilmt oder auf irgendeine Weise reproduziert werden, die auch nur annähernd jene Großartigkeit einzufangen vermag, die den Betrachter erfüllt, wenn er unmittelbar vor ihnen steht, seien es die Pyramiden in Ägypten oder der Grand Canyon. Dieser unbekannte, namenlose Wasserfall war etwas, das man im Himmel zu entdecken vermutete, aber niemals auf unserem Planeten. Der Anblick stärkte und schwächte mich zugleich. Ich bin nicht fähig, das Schauspiel zu beschreiben. Stellen Sie sich einen riesigen, glühenden Fluss vor, der breiter wird und Wasserfälle hinunterstürzt, die größer sind als die Viktoriafälle oder die Niagarafälle. Unter dem Dach einer Höhle von unbestimmbarer Höhe, deren Wände sich in völliger Dunkelheit verloren.
    Riesige Mengen des gespenstisch leuchtenden Wassers stürzten und donnerten herunter und ließen den Boden unter unseren Füßen beben. Unablässig rauschte es herab, eine ungeheure Masse kreischenden Lichts, aus dem wilde Geräusche, die fast wie menschliche Musik klangen, hervorbrachen. Überall lagen massige Schatten. Galerien, Türme, Straßen und Wälder aus Fels waren zu sehen, die ihrerseits wieder weiche silberne Strahlen aussandten, die an Mondlicht erinnerten. Unablässig stürzte das Wasser der Welt hinab ins Herz der Schöpfung, um zu erneuern und erneuert zu werden.
    Dieser Anblick hatte etwas an sich, das meinen Glauben an das Übernatürliche stärkte.
    Ich empfand es als Geschenk, dass ich am Rande dieses gewaltigen Wasserfalls stehen durfte und das leuchtende Wasser wirbelnd, funkelnd und schäumend eine Klippe herunterstürzen sah, deren Fußpunkt nicht erkennbar war. Weit unter uns fand das Wasser wieder zu einem Fluss zusammen, der durch ein weites Tal strömte, wo er ein riesiges leuchtendes Gewässer speiste, ein unterirdisches Meer. Wenigstens hielt sich die Geographie hier an die Prinzipien, die auch über der Erde galten. An beiden Flussufern, an den sanft ansteigenden Hängen des Tals, standen schlanke Türme aus weißem und grauem Licht, die ebenso unterschiedlich schienen wie die Hochhäuser, die zusammen die Skyline New Yorks bildeten. Die Formationen waren die seltsamsten, die ich je gesehen hatte. Mein zum Geologen ausgebildeter Bruder, der in Ypres gefallen war, hätte diese Kulisse sicher höchst interessant und anregend gefunden. Ich hätte wirklich gern festgehalten, was wir zu sehen bekamen. Es war leicht zu verstehen, warum kein Forscher Bilder mitgebracht hatte, warum der einzige Hinweis auf diesen Ort im Buch eines bekannten Spinners zu finden war und warum ein Anblick wie dieser als schier unglaublich galt - solange man ihn nicht selbst gesehen hatte.
    Staunend im Brüllen und im silbernen Schauer stehend, hatte ich noch nicht die Frage in Betracht gezogen, was wir als Nächstes tun würden. Ich erschrak, als Oona nach unten deutete und mich durch Zeichen fragte, ob ich kräftig genug sei, dort hinunter zu steigen. Oder ob wir gleich hier oben eine Schlafpause einlegen sollten?
    Obwohl geschwächt, bemühte ich mich, aus eigener Kraft so gut wie möglich weiterzugehen. Ich hatte noch immer das Gefühl, dass Gaynor uns möglicherweise einholen würde. Ich wusste, dass ich mich besser fühlen würde, wenn ich ein paar Kilometer weiter wäre. Andererseits fühlte ich mich in meiner Lage äußerst unwohl und sehnte mich danach, wieder zur Oberfläche hinaufzuklettern und einen Ort zu finden, an dem ich den Kampf gegen Hitler und seine raubtierhaften psychopathischen Schläger fortsetzen konnte.
    Ich wollte nicht weiter nach unten, aber wenn es der einzige Weg war, wollte ich es versuchen. Oona deutete im glitzernden Dunst zu einer Stelle, die etwa auf halber Höhe der Talwände lag. Dort sah ich die Umrisse einer riesigen

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