Tochter des Drachen
Kälte, sondern in plötzlicher, eindringlicher Erkenntnis.
Die Hand des Alten Meisters zuckte durch die Luft. »Hajime!«
Augenblicklich spürte Chinn die Veränderung bei Katana. Die Art, wie sich ihre endostahlharten Muskeln kaum erkennbar spannten. Wie sich ihre Fersen so vom Boden lösten, dass ihr Gewicht ganz auf den Fußballen ruhte, bereit zum Sprung. Chinn machte sich fertig. Fühlte, wie sich Katanas Blick durch ihre Augen in ihren Geist bohrte.
Mein Geist ist ein Teich. Es war eine der Lehren des Alten Meisters, und jetzt klammerte sich Chinn an diese Worte als an ein kostbares Mantra. Mein Geist ist ein tiefer, stiller Teich. Ich reflektiere alles, schlucke alles. Ihre Augen fixierten Katana, drangen an deren Augen vorbei in Katanas Gedanken. Ich bin ein Teich. Ich bin ...
Katana bewegte den Oberkörper leicht zur Seite, und Chinns Blick löste sich für einen kurzen Augenblick von Katanas Schwert.
Mehr brauchte Katana nicht. »Yah!« Noch während der Klang über ihre Lippen kam, griff sie an. Während sie vorwärtssprang, hob sie das Schwert in Jodan - eine Bereitschaftsposition über dem Kopf, deren Angriffswinkel unanfechtbar war.
Alarmiert widerstand Chinn der Versuchung, zu Katanas Klinge hochzublicken, und konzentrierte sich stattdessen auf die Augen der Gegnerin, las deren Absicht - die in einem mittigen Kopfhieb bestand. Schnell riss sie das eigene Katana zur Parade hoch. Metall klirrte gegen Metall, als die Schwerter aufeinanderprallten, und die Wucht des Hiebes drang durch die Klinge in Chinns Arme als sie den Angriff beiseiteschlug Ihr Kiai war ein schriller Aufschrei. »Toh!«
Katana löste sich, trat einen halben Schritt zurück. Dann wirbelte Chinn links herum davon, die Klinge bereit. Sie drehte sich gerade rechtzeitig wieder nach vorne, um Katana erneut kommen zu sehen. Blitzartig erkannte Chinn die Lage: die Art, wie Katana den rechten Fuß hinter dem l ink en behielt, wie sich ihre Schwertklinge leicht gegen den Uhrzeigersinn drehte. Ein Seitenhieb. Als Katana das Schwert mit beiden Händen schwang, blockte Chinn den Angriff ab, schob den linken Fuß schräg seitwärts, während sie in dem Sekundenbruchteil, bevor Katanas Hieb auf ihre Körpermitte zuschoss, die Arme hochriss und das Katana mit abwärts gerichteter Spitze parallel zum linken Ohr drehte. Klirrend traf Schwert auf Schwert, dann hatte sich Chinn gelöst, schwang die Klinge hoch und über den Kopf, während sie den rechten Fuß hinter den linken brachte.
»Toh!«, stieß sie aus und hieb das Schwert mit einem peitschenden Schlag abwärts. Der glänzende Stahl schien sich in sc hm erzhaft langsamer Zeitlupe zu bewegen, während Chinns Hirn darum kämpfte, die Geschwindigkeit des Schlages zu kontrollieren. Ich kann sie nicht verletzen, nicht wirklich. Ich kann sie nicht...
»Yah!« Katana ließ sich in die Hocke fallen, drehte die Hände im Uhrzeigersinn und riss das Schwert mit gestreckten Armen hoch. Chinns Klinge krachte in die verstärkte Blutrille der gegnerischen Waffe. Mit einem kratzenden Geräusch scheuerte das Metall über das Hi. Ein stetiger Druck schob Chinns Schwert beiseite. Plötzlich war der Druck verschwunden, und automatisch zuckte Chinn zurück, brachte das Schwertblatt mit gesenkter Spitze an die linke Körperseite, gerade als Katana mit einem tödlichen Schnitt ihre Taille angriff.
Mein Gott! Chinn hatte kaum Zeit, den Zusammenprall der Schwerter zu registrieren, bevor sie zurücksprang, außer Reichweite. Das war zu eng! Sie war erschöpft, keuchte heftig. Schweißbäche liefen zwischen ihren Brüsten hinab. Ihre Schultern brannten, und sie spürte, wie sich ihre Waden vor Erschöpfung verkrampften.
Ein Blick zu Katana zeigte, dass selbst sie die Belastung spürte. Aber sogar jetzt noch, während sie nach Luft schnappte, öffnete sie die Lippen zu einem wilden Grinsen. »Siehst du?«, fragte sie, unterbrochen von tiefen Luftzügen. »Kämpfen ... ist... etwas ... anderes.«
Da klickte etwas in Chinns Gedanken. Wenn sie redet, kann sie sich nicht konzentrieren. Sie zwang sich, langsamer zu atmen, damit sie trotz des Don-nerns in ihren Adern etwas hören konnte. Vor langer Zeit hatte der Sensei etwas gesagt, an das sie sich jetzt erinnerte: Zuerst kommt das Geräusch. Wenn du aber wartest, bis deine Augen den Angriff sehen, stirbst du.
Jetzt konzentrierte sich Chinn ganz und gar darauf, die winzigste Veränderung zu erlauschen. Sie hörte das Hämmern ihres Herzens und zwang sich, es
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