Tochter des Drachen
riskierst gute Leute und wertvolles Material... Mit welcher Absicht?«
»Absicht?« Sakamoto stieß in einem lauten Grunzen verärgerten Staunens eine reichliche Menge Luft aus. »Wir sind das Draconis-Kombinat, und Ihr fragt mich nach der Absicht? Unsere Absicht sollte doch offensichtlich sein.«
Nicht im Mindesten eingeschüchtert. Bhatia musterte den Tai-shu. Sakamoto war groß, einen halben Meter größer als Kurita, mit dem eingedrückten Gesicht und dem bulligen, tonnenförmigen Körperbau eines ehemaligen Ringers. Seine Knollennase bebte vor unterdrückter Wut, und ein pulsierendes Netz blutroter Äderchen, das einem Spinnennetz ähnelte, verriet einen Mann von bodenständigem Appetit, der seine Freuden mit der Eroberung von Frauen und reichlich Flaschen Pflaumenweins verband. Ein Trinker und Frauenheld, der von allen dreien am lautesten wiehert und den Pfau wie eine krause Witwe im besten Sonntagsstaat aussehen lässt.
Kurita antwortete: »Tai-shu Sakamoto, unsere Absicht ist nicht mehr und nicht weniger als die Sicherheit des Kombinats. Wir haben genug zu tun. Es besteht keine Notwendigkeit, unser Volk potenziellen Entbehrungen und Blutzöllen auszusetzen.«
»Entbehrungen«, knarzte Sakamoto. »Was weiß unser Volk von Entbehrungen, von irgendetwas anderem als seiner Bequemlichkeit?«
»Und bist du so anders, Tai-shu? Ja, es stimmt, seit dem zweiten Krieg gegen Clan Geisterbär kennen wir drei Jahrzehnte echten Friedens, und wenn uns die Erinnerung nicht trügt, wurden wir angegriffen. Wir waren nicht auf Eroberung aus. Seit 3102 wurden unsere Armeen ...« Kurita machte eine Pause. »Ausgedünnt. Natürlich kennen wir uns noch mit kleineren Militäraktionen aus, aber besitzt du oder irgendjemand unter deinem Befehl wirklich noch das Wissen, wie man eine über mehrere Systeme reichende Offensive führt? Was weißt du von einem solchen Krieg? Sag es uns.« Wieder war Kuritas Tonfall milde, und obwohl Bhatia Kuritas im Majestätsplural ausgedrückte Selbstgefälligkeit verachtete, musste er ihm zugestehen, dass die Beleidigung so scharf war wie die Kissaki einer perfekt geschliffenen Klinge.
Sakamoto setzte zu einer Entgegnung an, doch dann blieb er stumm, und Bhatia hob die Hand vor den Mund, um ein Lächeln zu verbergen. Der Mann schnappte nach Luft - wie ein Fisch, der sich zu dicht ans Ufer gewagt hatte und von einer Welle an Land gespült worden war.
Aber es war der Mann an Kuritas rechter Seite, der als Nächster das Wort ergriff. Sein Gesicht war kantig, die Haut wirkte gegerbt und sonnengebräunt, und die Züge schwerer, ähnlich dem von harter Arbeit gezeichneten Gesicht eines Tagelöhners. Doch er hatte die eisblauen Augen der Kuritas und deren breite Stirn, auch wenn sein Haar einer Löwenmähne von reichem Schwarz mit Kometensträhnen aus Silber glich. »Das mag stimmen, Tono, doch selbst Ihr wisst, dass auch ein kaum im Kampf geprüftes Heer zu Großem fähig sein kann. Und wir sprechen hier nicht über einen Feind mit den Möglichkeiten zu ernsthaftem Widerstand.«
»Hört auf Euren Sohn, Tono.« Ein beinahe seidiges Schnurren Toranagas. »Theodore Kurita spricht die Wahrheit.«
»Wirklich?«, erwiderte Kurita mit leicht trockener Note. »Und spricht er für dich, Tai-shu?«
Toranaga blinzelte, doch bevor er antworten konnte, beugte sich Theodore vor. »Vater, das Kombinat ist riesig. Die Republik besitzt weder den Willen zur Eroberung noch zur Verteidigung. Ohne die HPGs wird die Republik beinahe sicher fallen, die Präfekturen werden eine nach der anderen zerbrechen, wie Dominosteine. Das wissen wir alle.«
Ein guter Zug. Bhatia war sehr zufrieden. Theodore Kurita mochte die intellektuelle Beweglichkeit oder der feurige Geist seines Namensvetters fehlen, doch er war klug und weitsichtig. Schade, dass er keine Erben hat, sonst wäre er ein akzeptabler Ersatz für den Pfau. Es war ein offenes Geheimnis, dass Theodores Frau Chomie unfruchtbar war. Nach vier Fehlgeburten murmelte man von Adoption. Sonst drohte dem Kombinat das Undenkbare: ein Thronfolger aus bestenfalls halbreiner Kuritalinie. Warum Theodore sich weigerte, eine Geliebte zu nehmen, war Bhatia ein Rätsel. Möglicherweise liebte er seine Frau - und eine derartige Sentimentalität betrachtete der ISA-Direktor als unentschuldbar. Ein wahrer Herrscher ließ Kleinigkeiten wie Ehegelübde oder Treue niemals zu Sand im Staatsgetriebe werden.
Sakamoto nutzte die kurze Stille. »Euer Sohn hat recht, Tono. Die Republik wird nicht
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