Tochter des Drachen
Dank, dass er vorausschauend genug gewesen war, einen Agenten in ihre Einheiten einzuschleusen. Nicht, dass der Pfau dabei die geringste Hilfe gewesen wäre! Dieser Idiot hatte herumgeschwätzt, anderen das Kämpfen zu überlassen, bläh, bläh, bläh! Es war zum Haareausreißen: Das Balg eines entehrten Verräters entblößte die Schwäche des Kombinats!
Such dir einen schönen hohen Sockel, Mädchen, damit es möglichst schmerzhaft wird, wenn du stürzt!
Sakamoto war der Schlüssel. Toranaga war verschlagen und konnte sich durchaus noch als nützlich erweisen. Und hatte Bhatia nicht etwas in seinem Blick bemerkt, als er sich zum Gehen wandte? Ja, für einen Sekundenbruchteil hatten er und Toranaga bedeutungsschwere Blicke getauscht, und es hatte den Anschein gehabt, als wollte ihm der Kriegsherr eine stumme Botschaft zukommen lassen, um ihn daran zu erinnern ... Ja, woran? Dass noch ein anderer Joker im Spiel war?
Vielleicht. Bhatia verdrängte Toranaga aus seinen Überlegungen. Momentan hatte nur ein Kriegsherr die Chance, draconische Systeme zurückzuerobern und gleichzeitig diese lästige Tormark aus dem Weg zu räumen: Sakamoto. Gut, Sakamoto war ein Säufer und Rüpel, und die Vorstellung seiner aus dem Mund befreiten Zunge gefiel dem Geheimdienstchef ungemein. Aber trotzdem war der Tai-shu nützlich. Und wenn er ihn ausspielte? Dann blieben dem Pfau nur noch zwei Möglichkeiten: Sakamoto bedingungslos zu verstoßen oder sein Handeln vorbehaltlos zu unterstützen. Im ersten Fall würde Sakamoto sterben, was Bhatia nicht wirklich bedauern konnte. Im zweiten jedoch würde der Pfau den Ruhm für sich verbuchen, und das war gut für das Kombinat.
Aber ich muss das sehr genau überlegen. Soll Sakamoto seine kleine Invasion ruhig starten. Ich warte ab, bis der Moment gekommen ist, um den Pfau zu informieren.
Falls Kurita Sakamotos Kopf forderte? Kein Problem. Der Kriegsherr war nicht mehr als das Instrument, mit dem Bhatia das Schloss der Schatztruhe knackte, die Haus Kurita und die Ehre des Kombinats barg. Und wer weiß? Möglicherweise fand sich sogar noch ein unerwarteter Bonus: Möglicherweise stellte sich die Schlampe Sakamoto in den Weg. Ein Schauder unverhoffter Freude durchfuhr Bhatia und die Härchen auf seiner Haut stellten sich auf. Zer-quetscht wie ein Insekt. Er lachte leise, wie ein Hund, und strich sich über die Oberschenkel.
In der rechten Hosentasche knisterte etwas, und seine gute Laune verdampfte wie Frühnebel an einem heißen Morgen. Ein Bericht. Er hatte ihn bereits gelesen, und was er da gelesen hatte, gefiel ihm gar nicht. Er zog das Papier aus der Tasche, las es noch einmal. Nahm sich Zeit, ließ die Worte sich in sein Hirn einbrennen.
Kappa. Das Wort sprang ihn förmlich an. Jedes Mal, wenn er es sah, stolperte sein Geist, als hätte er sich einen mentalen Zeh angeschlagen. Kappa war ein Sohn des Drachen - gewesen -, Mitglied eines Kaders von Eliteagenten: die Augen, Ohren und Zähne des legendären Subhash Indrahar. Indrahar, ein mächtiger Mystiker ohne den geringsten Anflug von Skrupel, war der größte ISA-Direktor in der Geschichte des Kombinats gewesen, ein persönlicher Freund Takashi Kuritas und ein Mentor für dessen Sohn Theodore. Doch die Söhne hatten Indrahars Macht nicht geerbt. Alle Agenten waren im Heiligen Krieg gefallen, ihre Unterlagen verschwunden. Bhatia hatte die Söhne des Drachen wiederauferstehen lassen. Die Idee eines derart nützlichen Inneren Zirkels war einfach zu brillant, um sie nicht aufzugreifen. Aber der Aufbau dieser Gruppe war eine langwierige und kostspielige Arbeit.
Doch hier war nun Kappa, und ohne sein Wissen über die Söhne hätte Bhatia die Verbindung möglicherweise immer noch nicht gezogen. Ein Serien-mörder auf irgendeinem obskuren kleinen Planeten. Was hieß das schon? Nur war da dieses sehr seltsame Opfer - ein Mann, dessen Leichnam nicht verstümmelt worden war -, auf dessen Tod eine Bild- und Tonnachricht des Mörders folgte, der sich Kappa nannte. Kappa, eine Kreatur aus uralten Mythen ... und einer der auf brillante Weise exzentrischsten und gefährlichsten Spezialagenten, die Indrahar je erschaffen hatte. Als lege er es darauf an, meine Aufmerksamkeit zu erregen. Aber es kann nicht derselbe Mann sein. Der wäre inzwischen fast hundert Jahre alt. Kappas Erbe? Und warum tauchte er gerade jetzt auf?
Er wusste es nicht. Aber trotzdem zitterte ISA-Direktor Ramadeep Bhatia, und dies lag nicht an der Temperatur.
Makuharistrand,
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