Tochter des Drachen
zittern. »Katana.« Er musste sich räuspern. »Liebes, warum bist du hier? Um meinen Segen zu erbitten?«
»Nein.« Und dann, zum ersten Mal, wurde sie unsicher. »Ich ... ich war auf dem Weg ... zu meinem Stützpunkt auf Ancha und ich ... ich schätze, ich wollte dich ...«
»Noch ein letztes Mal sehen?« Er streckte die Hand aus und strich ihr über die Wange. Ihre Augen glänzten, ihre Haut war nass - aber nicht von der Gischt. Ein Bild trat vor sein inneres Auge: seine kleine Rachel, als sie sich das Knie aufgeschürft hatte, und wie er ihr das Gesicht gestreichelt und sie ge-tröstet hatte, dass alles wieder gut werden würde. Aber jetzt würde es nie mehr gut werden.
Es war fast zu viel für sein altes Herz. »Katana, hätte meine Tochter überlebt, es hätte mich stolz gemacht, wenn du sie Schwester genannt hättest. Aber ich habe Angst um dich, Liebes. Ich habe Angst um uns beide. Bitte, Katana, bitte ... zwing mich nicht, dich zu töten.«
Er ließ die Hand sinken und wendete sich wieder dem Meer und der untergehenden Sonne zu. Sie standen eine Weile Seite an Seite da, während das Meer zu ihren Füßen langsam und unmerklich das Land verschlang. Dann spürte er die Berührung ihrer Hand an seiner rechten Wange, und er hörte das Knirschen des Sandes, als sie ging.
Im allerletzten Augenblick drehte er sich um. Sie stand auf der Kuppe der Düne, reglos, und kehrte ihm den Rücken zu. Die untergehende Sonne färbte den Sand orange und ihre Haut bronzen. Sein altes Herz hoffte, dass sie umdrehte und zu ihm zurückkehrte - doch sein Verstand wusste, dass das nicht geschehen würde.
Und zumindest in dieser Hinsicht enttäuschte sie ihn nicht.
Katana Tormarks Tagebuch 26. Dezember 3134
So, das war brutal schmerzhaft. Ich weiß eigentlich gar nicht, warum mich das überrascht. Was hatte ich erwartet? Dass mir Sir Reginald den Kopf tätschelt und mir sagt, was für ein gutes, tapferes kleines Mädchen aus mir geworden ist? Idiotisch.
Und natürlich hat Sully es bemerkt, verdammt. Kaum war ich an Bord des Landungsschiffes, da hat er es mir gegeben. »Na, wenn das kein hübsches Bild ist.«
Ich versuchte ein Lächeln. Ziemlich erfolglos. »So offensichtlich, ja?«
Sully wieherte wie ein Pferd. Er ist ein Bär von einem Kerl: dicker Hals, Tonnenbrust, wirkt selbst um zehn Uhr morgens schon unrasiert, was ihn älter aussehen lässt, als er ist, und seine Stimme hat einen vollen schottischen Akzent, bei dem ich an knisterndes Holzfeuer denke, rauchigen Whisky und grüne Heidelandschaften. Er hatte immer noch die Kochschürze um und roch nach gutem gedünstetem Reis, schwer und nussig. »Wenn dein Gesicht noch länger wird, brauchst du dafür eine Schubkarre. Was liegt dir auf der Seele, Mädchen?«
Also erzählte ich es ihm. Und er hörte zu. Das kann er, das konnte er schon immer. Wahrscheinlich erklärt das, warum seine Kneipe auf Northwind immer voll war. Die besten Bartender sind im Nebenberuf Psychiater, schätze ich. Jedenfalls stand er ganz vorn in der Schlange, als ich Des Drachen Zorn gegründet und meine Bruderschaft rekrutierte habe, und hat gefragt, wo er unterschreiben muss. Mit dem Ergebnis, dass ich meinen besten Koch überallhin mitnehme. Mein einziges Laster ... aber er ist wirklich so gut.
Sully kratzte sich nachdenklich am Kinn und sagte: »In Ordnung. Jetzt können wir uns darüber unterhalten, warum du dir überhaupt die Mühe gemacht hast, Sir Reginald zu besuchen ...«
»Lieber nicht.« Ich spielte schon geraume Zeit mit meinem Frühstück und schob die Bohnen in meiner Schale hin und her. Jetzt legte ich die schwarz lackierten Essstäbchen auf ihren Halter. »Es hat wirklich keinen Sinn.«
»Oh, es hat Sinn, Kat, es hat immer Sinn.« Sully musterte mich vielsagend mit seinen babyblauen Augen. »Aber das ist nicht das Einzige, was dir zusetzt, oder?«
Ich schüttelte den Kopf, nahm die Teeschale und trank. »Des Drachen Zorn steckt in Schwierigkeiten«, erklärte ich tonlos. »Wir haben die Grenzen unserer Möglichkeiten erreicht. Wir können einfach nicht weiter expandieren. Uns fehlen nicht nur die Leute. Es geht um Material, Nachschub, alles. Wenn auf einer der besetzten Welten eine Revolte ausbräche, bin ich mir keineswegs sicher, dass wir sie niederschlagen könnten oder den Planeten auch nur rechtzeitig erreichen würden. Crawford sagt, wenn wir kein Arsenal erbeuten - und wenn ich Arsenal sage, dann meine ich jede Menge Waffen, Ausrüstung, Jäger, Mechs -, dann haben wir
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