Tochter des Drachen
dieses Monster doch angelegt! Bhatia griff sich das Papier und tippte den Zahlencode ein. Das würden sie ja sehen.
Ein leises, metallisches Schnappen ertönte. Die äußere Hülle öffnete sich und gab den Blick auf einen ovalen Plexipolymerbehälter von graumetallischer Farbe frei. Ein mechanisches Brummen, dann klappte das graue Ei mit einem lang gezogenen Seufzer auseinander, als hätte es den Atem angehalten. Bhatia sprang zurück und stieß einen unartikulierten Schrei aus, irgendwo zwischen einem Stöhnen und einem Kreischen, da ihn ein giftiger, fauliger Verwesungsgestank ansprang. Er wollte den Blick abwenden, doch es gelang ihm nicht. Der Anblick brannte sich in seine Augen und bohrte sich wie ein glühend roter Stachel in sein Hirn.
Der erste Schwarm Schmeißfliegen hatte die fleischlichen Überreste verzehrt und war längst gestorben. Die Maden, die aus den Millionen von Eiern gekrochen waren, die sie auf Cs Augen, in seinem Mund, den klaffenden Löchern der Nase und Ohren und seinem zerquetschten Hals abgelegt hatten, waren zu einem schmierigen graugrünen Schleim zerlaufen. Das Haar des Agenten war zu einer schwarzen, verfilzten Masse verkommen, die an den Überresten des linken Ohrs herabhing.
Würgend zuckte Bhatia zurück. Der Tisch wankte.
Cs Kopf rollte in dem Paket herum, mit einem ekelhaft saugenden Geräusch. Die Augenhöhlen waren leer. Seine Lippen waren abgefressen und das abstoßende Totengrinsen offenbarte eine weitere Schwäche Cs - abgesehen von der offensichtlichen, dass er kein sonderlich guter Beschatter gewesen war: Er hatte seine Zähne verkommen lassen.
Brennende, saure Galle stieg die Kehle des ISA-Direktors unaufhaltsam hoch. Ramadeep Bhatia stolperte davon, wandte sich ab und kotzte.
Conqueror's Pride, Proserpina Präfektur III, Republik der Sphäre
29. Januar 3135, kurz vor Morgengrauen
Katana wachte auf und runzelte in der BeinaheDunkelheit des Schlafzimmers die Stirn. Irgendetwas stimmte nicht. Es hatte ausgereicht, sie aufzuwecken. Die Shoji im Osten war leicht erhellt, durchscheinend. Das hölzerne Leistenwerk war als Muster aus sauberen Quadraten und Rechtecken erkennbar. Es musste etwa eine Stunde vor Sonnenaufgang sein. Dann hörte sie, was sie aufgeweckt hatte: ein sanftes, kaum hörbares Quietschen, wie ein Scharnier, das geölt werden musste.
Sie war augenblicklich hellwach. Ihre Schwerter lagen auf dem Ständer an der gegenüberliegenden Wand. Zu weit entfernt. Aber sie hatte noch die Pistole. Vorsichtig, um ein Rascheln der Laken zu verhindern, drehte sie sich auf die linke Seite. So langsam, dass es kaum zu ertragen war, schob sie die rechte Hand unter das Kissen. Im nächsten Augenblick keuchte sie unwillkürlich auf. Die Waffe war fort.
Jetzt bewegte sich jemand. Sie rollte davon, war aber nicht schnell genug. Hände - Nein, Metall - strichen über ihren nackten Rücken, fassten ihren linken Arm, dann wurde sie auf die Matratze gedrückt. Jemand saß auf ihrem Rücken und presste ihr Gesicht ins Kissen. Sie rang nach Luft, versuchte, den Kopf zur Seite zu drehen, aber wer auch immer es war, er war zu stark, und sie konnte nicht atmen. Doch ihre Hände waren frei. Ihre Finger rutschten über Metall, bevor es ihr gelang zuzupacken. Doch ihr Angreifer verlagerte leicht das Gewicht, zerrte ihre Hände frei und drückte ihre Schultern mit den Knien aufs Bett. Ihre Arme schlugen hilflos u mh er. Ihre Lunge schrie nach Luft. Ihre Brust stand in Fl amm en. Das Dunkel vor ihren Augen verschwamm ...
Im allerletzten Augenblick bemerkte sie aus weiter Ferne, dass das Gewicht auf ihrem Rücken verschwand. Jemand drehte sie auf den Rücken und drückte sie wieder mit den Schultern aufs Bett, aber das spielte keine Rolle mehr, denn sie bekam schon Luft. Einige Sekunden konnten sie an nichts anderes denken, während ihre brennende Lunge den wunderbaren, lebensspendenden Atem einsog. »W... was?«
Der Kopfgeldjäger lachte donnernd. Die Lautsprecher in seinem Helm verzerrten den Klang so, dass seine Stimme hohl klang und einen summenden elektronischen Unterton bekam, als würde sie durch ein Kabel in einen tiefen Schacht übertragen werden. »Das wird dich lehren. Beim nächsten Mal könnte es jemand sein, der dich nicht so gern hat wie ich.«
Wut verdrängte die Panik. »Wa... was«, setzte sie an, und wurde von einem Hustenanfall unterbrochen. »Was soll das?«, fragte sie schließlich mit erstickter Stimme. »Wie ... wie bist du hier ... hier ... warum ...« Sie
Weitere Kostenlose Bücher