Tochter des Drachen
Zigarette im Takt gewippt. »Und was wollen Sie denen antworten, wenn sie nach Referenzen fragen? He, das ist eine gute Stelle. Gute Bezahlung, ein schönes Leben, keine Gefahr, wegen Kurpfuscherei verklagt zu werden.«
Jetzt war es an McCain gewesen, spöttisch zu grinsen. »Außer dass ich, wenn ich nein sage, den Fischen Gesellschaft leiste.«
Er erinnerte sich an das kurze Aufleuchten von Gewalt in Itos Augen, so plötzlich wieder vorbei wie ein Blitz. Einen Moment lang hatte er geglaubt, damit wäre er zu weit gegangen. Aber dann hatte sich Ito entspannt, gelacht und sich in seinen Kokon aus blauem Dunst zurückgezogen. »Sagen Sie nicht nein, bevor ich Sie mit jemandem bekannt gemacht habe, Mann.«
Nur war es nicht einfach irgendjemand gewesen, sondern Matsuro Kamikuro. Per-sön-lich.
Genau, was der Arzt verschrieben hat. McCain fasste die Kaffeetasse mit beiden Händen und gestattete sich einen Augenblick der Zufriedenheit. Er hatte es geschafft, Kontakt mit dem alten Oyabun der Ryuu-gumi aufzunehmen. Nur brauchte er für den nächsten Schritt Viki Drexel, und wo, zum Teufel, blieb sie? Sein Blick wanderte wie zufällig nach rechts, dann nach links, von einem unbekannten Gesicht zum nächsten. Die Packung war hier. Das ist das Zeichen. Acht Zigaretten, das bedeutet acht Uhr. Inzwischen ist es viertel nach, wo ...?
Dann sah er etwas sehr Vertrautes: ein Imbisskarren rollte eine Querstraße entfernt um die Ecke. In McCains Brust loderte Hoffnung auf. Der Wagen der Tamago-Verkäuferin kam auf ihn zu. Das musste bedeuten, Viki sandte ihm eine Nachricht. Himm el, all diese lächerlichen Verrenkungen bei Spionagemissionen. Ungeduldig beobachtete er, wie der Karren langsam die Straße heraufkam. Die Dämmerung war inzwischen der Nacht gewichen, dadurch konnte er weder die Farbe der Markise noch das Gesicht der Verkäuferin genau erkennen. Er glaubte aber, dass es der richtige Karren war. Nur konnte er sich dessen nicht sicher sein, bis er näher heran war.
Der Karren kam näher, aber nicht bis auf die gleiche Höhe mit dem >Cuppa Joe<. Er blieb im tiefen Schatten knapp außerhalb des gelben Lichtkegels einer Straßenlaterne stehen. Zu weit entfernt, um die
Markise oder die Verkäuferin zu erkennen, verdammt. Er musste hinübergehen.
Scharrend schob er den Stuhl nach hinten und stand auf. Einen Moment später erhob sich auch das Pärchen am Nebentisch. Die beiden wendeten sich nach links, McCain nach rechts, und als er an ihr em Tisch vorbeikam, glitt sein Blick hinüber und bemerkte den eingedrehten Rand einer Papiertüte unter dem Stuhl, auf dem die Brünette mit den Ohrreifen gesessen hatte. Dann zuckten seine Augen wieder zurück, als der Rücken der Tamago-Verkäuferin in Sicht kam. Er vergaß die Tüte und ging weiter.
Ein schlimmer Fehler.
Zwei Meter vor dem Karren gelang es McCain gerade noch, die Farben der Markise auszumachen. Rot und Gelb. Jawoll. Doch dann bewegte sich etwas, und die Verkäuferin drehte sich um und trat aus dem Schatten. McCain erstarrte mitten in der Bewegung. Das Lächeln auf seinem Gesicht gefror. Sie war ein Er.
Ihm blieb noch Zeit für einen überraschten Gedanken. Was, zum...
Schräg hinter ihm gellte eine Stimme: »McCain, runter, runter!«
Der Mann am Karren zuckte, doch im selben Augenblick, in dem auch ein lauter Knall ertönte, warf sich McCain bereits zur Seite. Etwas summte durch die Luft und pfiff knapp an seinem Schädel vorbei. Er schlug hart auf das Pflaster, fing den Aufprall mit einer Schulterrolle ab und kam gerade rechtzeitig wieder auf die Beine, um den Mann beim Karren sich aufbäumen, zwei Schritte nach hinten taumeln und umfallen zu sehen.
Einen Moment lang herrschte völlige, schockierte Stille ... dann verwandelte sich die Cafeterrasse in ein Tollhaus. Kreischende Gäste flüchteten wild durcheinander. Geschirr zerbarst auf dem Pflaster, als sie Tische und Stühle beiseite stießen. Jemand trat gegen den Beutel unter dem Stuhl neben McCains Tisch, und er sah etwas Rundes halb herausfallen -Ein Ei. Ist das ein Ei? Was, zur Hölle, macht ein Ei... - Dann wirbelte er auf dem Absatz herum, immer noch in der Hocke, schaute nach rechts.
Viki Drexel kam die Straße heraufgerannt, den rechten Arm am Ellbogen angewinkelt, und stieß sich mit dem ausgestreckten linken Arm eine Bahn durch die flüchtenden Gäste frei. »McCain, unten bleiben, in Deckung! Unten bleiben, unten ...!«
Himmel. McCain starrte auf das Ei, die Tüte, den Karren. Alles klickte an
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