Tochter des Drachen
Ort und Stelle, wie die Bolzen eines Schlosses: Bombe. Jesus, Maria und Josef. Der Beutel ist eine ...
Er sprang auf, rannte los, hechtete hinter den nächsten Tisch, der umgekippt auf der Seite lag, die runde Metallplatte wie eine Wand, prallte so hart auf den Boden, dass es ihm die Luft aus der Lunge trieb ... gerade als die Bombe explodierte.
Ein dumpfer Knall, so, als hätte jemand ein Streichholz in einen Haufen mit Benzin getränktes
Papier geworfen, gefolgt von Brandgeruch und einem Sirren, das er mehr spürte als hörte. Hinter den Tisch geduckt, den Kopf gegen die Brust gepresst und die Arme über Kopf und Nacken gelegt, hörte McCain Glas klirren, das papierartige Rascheln zerfetzten Laubs und weiches Klatschen, als würde man Trauben zerquetschen, während Schrapnell auf menschliche Leiber traf. Schreie gellten. Dann dicht neben seinem Ohr: ein Stakkato dumpfer Einschläge in Metall. Dann war es vorbei.
Er wartete noch ein, zwei Sekunden, bevor er den Kopf langsam hob und um den Tisch herumbewegte. Lange Schrapnellsplitter zitterten im Gusseisen. Ein Stück entfernt sah er eine männliche Leiche, und rechts, im Lichtkegel der Laterne, dehnte sich träge eine dunkle Pfütze aus, schwarz wie Öl.
Hechelnd ließ sich Drexel neben ihn fallen. »Alles in Ordnung?«, fragte sie und strich sich mit einer Hand das Haar aus dem Gesicht.
»Ja.« McCain wischte sich mit dem Arm den Schweiß von der Stirn. Das leise Heulen von Martinshörnern mischte sich in das Stöhnen der Verletzten. »Jesus, woher wussten Sie das?«
Wortlos zog Drexel ein geschältes hart gekochtes Ei aus der Tasche und drehte es, damit McCain die Nachricht lesen konnte.
Sie bestand aus einem einzigen Wort in schwarzen Lettern: F aul .
Lake Marshall, Junction
Militärdistrikt Benjamin, Draconis-Kombinat
11. Mai 3135
Ito verstummte, und die mit Bücherregalen und bequemen rotbraunen Ledersesseln möblierte Bibliothek war so leise, dass McCain es hörte, als er schluckte. Matsuro Kamikuro, das Oberhaupt der Ryuu-gumi, sagte kein Wort. Stattdessen starrte er McCain an. »Ich verstehe«, erklärte er schließlich mit einer Stimme, so kalt wie vereister Stahl. »Aber Sie werden mir bitte erklären, warum Sie und Ihre Bekannte« - eine Kopfbewegung hinüber zu Drexel -»bedeutend genug sind, Sie umzubringen.«
Eine verdammt gute Frage. Tja, wissen Sie, wir sind so was wie Spione, und, ach ja, übrigens, Mann, es tut mir echt leid, aber wir mussten da jemanden anheuern, damit er Ihre Leute ein bisschen zusammenschießt. Aber Sie wissen ja selbst, Krieg ist die Hölle und ... McCain zögerte, dann antwortete er: »Weil unsere Feinde, Kamikuro-san, den Koordinator scheitern sehen wollen.«
»Tatsächlich.« Kamikuro hatte kleine Mandelaugen, die wohl einmal leuchtend blau gewesen waren, doch mit zunehmendem Alter waren sie ausgebleicht und inzwischen so haihautgrau wie sein Anzug und seine Haare. Er machte vom Scheitel bis zur Sohle den Eindruck eines erfolgreichen Geschäftsmannes. Den Oyabun einer mächtigen Yakuza-Familie sah man ihm absolut nicht an. »Und Sie sind ...?«
»Mein Name ist Matthew McCain und ich bin Arzt, aber nebenbei bin ich auch ein Chu-sa. Ich diene Tai-sho Katana Tormark.«
Kamikuros Augen wanderten zu Drexel hinüber. »Und Sie?«
»Viki Drexel.«
Der Oyabun wirkte beeindruckt. »Sie kenne ich. Sie steuern eine Schockwelle, richtig?«
»Hai, Kamikuro-san«, bestätigte sie mit einer so perfekt ausgeführten schnellen Verbeugung, dass sich McCain wünschte, er hätte daran gedacht.
»Sehr beeindruckend.« Kamikuro wandte sich wieder McCain zu. »Warum glauben Sie, wir hätten die Mittel oder den Wunsch, Ihre Sache zu unterstützen?«
»Ich gebe zu, dass ich mir Ihrer Mittel nicht sicher sein kann, Kamikuro-san, aber Sie haben den Wunsch. Ihr Vater diente mit Geschwaderführer Sho-sa Thaddeus Shotoko des Siebten Geisterregiments, das von Des Drachen Dunkler Schatten >ge-reinigt< wurde. Und Sie haben es selbst gesagt; Ryuu-gumi ist nicht Kabuki-mono, sondern Machi-yakko. Ihre Leute sorgen für Ordnung.«
»Dass wir dem Volk dienen, bedeutet nicht notwendigerweise, dass wir dem Koordinator dienen.«
»Aber Sie haben eine Ehrenpflicht, und Sie ehren Ihre Vergangenheit. Die Irezumi Ihrer Familie bindet Sie.« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf die tätowierte Goldkette um Itos rechtes Handgelenk. Eine entsprechende Tätowierung um Kamikuros Handgelenk war unter der grauen Manschette seiner Jacke andeutungsweise
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