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Tochter des Glücks - Roman

Tochter des Glücks - Roman

Titel: Tochter des Glücks - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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ich von meiner eigenen Mutter gelobt werden.
    »Magst du Schokoladenkuchen oder lieber Vanille?«, fragt sie Dun unschuldig. »Oder magst du lieber exotische Torten – Grapefruit, Buttercreme oder Rum?«
    »Ich habe noch nie Torte gegessen, bevor ich hierherkam, Madame Hu«, antwortet Dun. »Schon ein einziger Bissen ist etwas ganz Besonderes für mich.«
    Derzeit ist ein Bissen von allem, was aus Zucker, Eiern, Milch und Mehl besteht, mehr als »etwas Besonderes«.
    »Ob wir Joy wohl so einen Kuchen schicken können?«, fragt Tante Hu. »Eine schwangere Frau würde eine Rosenblättertorte doch sicherlich mögen.«
    »Bestimmt würde sie sich freuen«, antworte ich, aber soll ich ihr erzählen, welche Sorgen ich mir mache?
    »Pearl-ah, ich kenne dich zu gut«, bemerkt Tante Hu. »Du solltest nichts vor mir verheimlichen. Stimmt etwas nicht mit Joy?«
    »Alles ist in Ordnung«, erwidere ich mit munterer Stimme und versuche, meine Besorgnis zu verbergen. »May hat mir erst vor Kurzem berichtet, dass Joy ihr geschrieben und um die seltsamsten Dinge gebeten hat.«
    »May schreibt an Joy?«
    »Natürlich, die ganze Zeit. Und Joy antwortet ihr.« Das tut zwar weh (warum schreibt Joy an May statt an mich?), aber es beruhigt mich gleichzeitig (Joy muss es wirklich gut gehen). »Joy hat ihre Tante gebeten, ihr Oreo-Kekse zu schicken, Hershey’s-Schokoriegel und Bit-O-Honey-Kaubonbons. Kennst du diese Süßigkeiten?« Tante Hu kennt Hershey’s noch von früher, die anderen jedoch nicht. »Nun, das beweist mir – mehr als alles andere –, dass Joy schwanger und glücklich ist.« Ich zitiere quasi aus Mays letztem Brief, in dem sie schrieb: »Was für Gelüste wir Frauen manchmal haben!« May schickte auch eine Erstausstattung, die sie bei Bullock’s Wilshire gekauft hat. »Das ist einer der exklusivsten Läden von Los Angeles«, erkläre ich. »Mein Enkelkind wird das schickste Baby in der Kommune sein!«
    Dun und Tante Hu lachen mit mir. Was fängt ein Bauernbaby mit Nachthemd, Schühchen, Mütze und Wickeldecke an?
    »May.« Tante Hu seufzt nachsichtig. »Sie ging schon immer gerne einkaufen. Was macht sie sonst? Erzähl mir mehr.«
    »May kümmert sich um mein Café«, antworte ich, froh, von Joy ablenken zu können. »Sie hat gerade eine Lizenz zum Ausschank von Bier und Wein bekommen. Sie sagt, wir hätten jetzt mehr Kundschaft.«
    »Das ist gut. Wenn du nach Hause kommst, erwartet dich ein florierendes Unternehmen.«
    »Ich habe dir doch schon erklärt, dass ich China nicht mehr verlasse. Mein Leben findet jetzt hier statt, mit meiner Tochter und ihrem Baby.«
    Tante Hu runzelt die Stirn, und ich fahre eilig fort. »Das Wichtigste hat aber mit Mays eigenem Beruf zu tun. Sie verleiht immer noch Requisiten und Kostüme an Filmproduktionen, doch inzwischen kommen auch Leute vom Fernsehen zu ihr. Du wirst nicht glauben, was passiert ist. Sie wollen jetzt auch chinesische Gesichter in ihren Sendungen! May bekam eine Rolle, sie spielt eine Haushälterin in einer Arztserie. Wenn die nur wüssten, wie schlecht sie im echten Leben den Haushalt führt!«
    Wir kichern. Dann steht Tante Hu auf, um das Radio einzuschalten, damit wir die Reden hören können, die aus der Hauptstadt übertragen werden. »Die Chinesen sind nun keine Sklaven mehr, die in einer Hölle auf Erden leben, sondern furchtlose Herren ihres eigenen Schicksals«, verkündet Premierminister Chou En-lai dem Land. »Die Imperialisten verunglimpfen unseren Großen Sprung nach vorn als Großen Sprung nach hinten. Doch lasst mich euch sagen: Die europäischen Imperialisten versuchen, uns zu zerschlagen. Die japanischen Aggressoren wollen uns verschlingen. Jetzt versuchen die Vereinigten Staaten, uns zu isolieren und von internationalen Angelegenheiten auszuschließen. Mit jedem Tag, der vergeht, erweist sich diese Politik als ein größerer Fehlschlag. Wir haben mit dreiunddreißig Ländern uneingeschränkte diplomatische Beziehungen, mit dreiundneunzig Ländern unterhalten wir wirtschaftliche Beziehungen, und mit einhundertvier Ländern stehen wir in kulturellem Kontakt und Austausch. Wie kann man diesen rasanten Fortschritt erklären?«
    Tante Hu will die Antwort gar nicht hören. Sie steht gleich noch einmal auf, um das Radio auszuschalten, und sagt: »Mir wäre es lieber, wenn uns Dun etwas vorliest.«
    Den Rest des Nachmittags verbringen wir damit, Tee zu trinken, uns zu unterhalten und Dun zuzuhören, der uns aus Sturmhöhe vorliest – Tante Hus

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