Tochter Des Krieges
stand ein Schemel, und Thomas schob ihn mit dem Fuß so nahe wie möglich an Margarets Lager heran und setzte sich.
Überaus vorsichtig holte er einen ihrer Arme unter den Decken hervor und legte das kleine Mädchen in ihre Armbeuge.
Margaret gab keinen Laut von sich und rührte sich auch nicht, und einen Moment lang war das einzige Geräusch im Gemach das zittrige, gequälte Atmen des Kindes.
O gütiger Heiland, wie sehr wünschte er sich, dass das Mädchen überlebte! Thomas wurde von einem solch heftigen Drang erfasst, das Kind zu beschützen, dass er fast Wut gleichkam. Sie durfte nicht sterben! Sie durfte einfach nicht!
Lange Zeit saß Thomas da und betrachtete Mutter und Kind. Schon einmal war eine Frau gestorben, weil sie sein Kind erwartet hatte, und nun lag eine weitere im Sterben.
Dass dieses Kind geboren worden war, machte die Sache noch schmerzlicher, denn wenn Thomas es betrachtete und sah, wie verzweifelt es um sein Leben kämpfte, wünschte er sich sehnlichst, dass es überlebte. Er wollte es heranwachsen sehen, gut behütet und geliebt… und hätte nicht einmal sagen können, warum er sich dies so sehr wünschte.
Und Margaret. Er wollte auch, dass sie überlebte.
Es kümmerte ihn nicht, wer oder was sie war. Es machte ihm nichts aus, dass sie ihn mit Thorsebys Hilfe in eine Falle gelockt hatte. Er wollte, dass sie am Leben blieb… und wenn es auch nur für das Kind war. Jedes Kind brauchte eine Mutter und einen Vater…
Seine Tochter.
Bei Gott, sie durfte nicht sterben!
Er beugte sich vor und strich dem Kind über die winzige Stirn. Seine Haut war runzlig und rot, aber trotzdem erstaunlich weich. Sein Gesicht war schmal und wirkte durch sein mühevolles Atmen noch verletzlicher. Doch Thomas wusste, wenn es die Augen öffnen würde, würde darin sein ganzes Wesen erstrahlen.
Ein Kind der schwarzen Künste?
Vielleicht, aber die Sünde seiner Zeugung durfte nicht auf das Kind übergehen.
Wie hatte er sich nur jemals von ihm abwenden können?
»Rosalind«, flüsterte er, und das Kind wimmerte.
Margaret lag immer noch starr und kalt da.
Thomas ließ den Kopf sinken und weinte leise mit bebenden Schultern.
Es dauerte eine Weile, ehe er bemerkte, dass er mit der sterbenden Mutter und dem Kind nicht mehr länger allein war.
Er hob den Kopf.
Thomas.
Der Erzengel stand am Fuß des Bettes, von einem rotgoldenen Leuchten umgeben, seine Gestalt fast überdeckt von der Stärke des Lichts, das er ausstrahlte.
»Heiliger Michael«, flüsterte Thomas. »Hilf ihr!«
Das werde ich nicht tun.
»Warum denn nicht?«
Ich bin nur hier, um dich zu lenken.
»Ich möchte, dass sie am Leben bleibt! «
Thomas, du bist von Gott auserkoren. Er hat dich auserwählt, aber deinen Weg musst du selbst finden.
»Was meinst du damit? Was hat das mit diesem kleinen Kind zu tun, das um sein Leben kämpft?«
Es ist besser, wenn das Mädchen stirbt, Thomas. Besser für dich.
»Nein!«
Besser für sie.
»Nein!«, flüsterte Thomas. »Sie muss überleben!«
Thomas, wie willst du Gott dienen, wenn du noch nicht einmal die Prüfungen erkennst, denen du dich stellen musst? Warum begreifst du nicht, dass sie…
Es klopfte an der Tür, zunächst sanft, dann immer lauter und drängender.
Der Erzengel zischte und ließ Thomas zusammenfahren, dann leuchtete das Licht um ihn herum so hell auf, dass Thomas aufschrie.
Der Erzengel brüllte, und Thomas glaubte zwei geballte Fäuste zu sehen, die wütend erhoben wurden…
… dann war er verschwunden, und Thomas blieb mit Margaret, dem Kind und dem immer lauter werdenden Klopfen an der Tür allein zurück.
Er sprang auf und öffnete die Tür.
»Was gibt es?«, knurrte er.
Wat Tyler stand vor ihm und wirkte beinahe ebenso grau und abgehärmt wie Margaret. Er wurde von einem beleibten, glatzköpfigen Mann mit hervorquellenden, erschrocken dreinblickenden blauen Augen begleitet.
»Ich wusste, dass Lady Margaret Hilfe braucht«, sagte Wat und erhob sich auf die Zehenspitzen, um an Thomas vorbei zu Margaret hinüberblicken zu können. »Ich habe ihre Schreie während der Niederkunft gehört.«
Er sah wieder Thomas an, und dieser bemerkte überrascht, dass sich ernsthafte Sorge auf Wats Gesicht abzeichnete. »Ich bin nach Lincoln gelaufen und habe dort an die Türen geklopft, bis man mir den Weg zum Haus eines Arztes gewiesen hat. Tom, das ist Garland Hooper. Er wird Margaret und ihrem Kind helfen.«
»Ein Arzt?« Gütiger Himmel, Ärzte sorgten doch nur für mehr
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