Tochter Des Krieges
kälter als draußen, und Thomas zog seine Gewänder fester um sich, während er weiterhin wachsam nach Hinterhalten Ausschau hielt: Er jedenfalls würde Tyler nicht trauen.
Aber hatte er Tyler in der Vergangenheit nicht schon oft sein Leben anvertraut?
Nun ja, Tyler war höchstwahrscheinlich nicht mehr derselbe Mann wie einst. Er sprach von Umsturz und Rebellion.
Er hatte Gedanken ausgesprochen, die ihm die Dämonen selbst eingegeben hatten.
Doch es gab keinen Ort, von dem aus versteckte Truppen – oder womöglich andere Unholde – sie überfallen konnten. Die Wände des Schachtes waren glatt und massiv, und von dem Haupttunnel zweigten keine Nebenschächte ab. Die fünfzig Soldaten am Eingang würden sie warnen, wenn sich jemand in ihrem Rücken näherte. Selbst wenn die Männer überwältigt würden – und das war unwahrscheinlich, da sie kampferfahren und wachsam waren –, würde das Geräusch von aufeinandertreffendem Stahl durch den ganzen Steinbruch hallen.
Thomas hoffte außerdem, dass die Männer auf den möglicherweise gefährlichen Wat Tyler Acht geben würden.
Langsam verringerte sich die Neigung des Schachtes wieder etwas, und die Gruppe trieb ihre Pferde zum Trab an. Die Luft war schal und rauchig von den Fackeln, Schatten huschten über Männer, Tiere und Wände, als würde ein großer Schwarm Nachtfalter über sie hinwegstreichen.
Es herrschte eine sorgfältig berechnete bedrohliche Stimmung. Was waren Philipps wirkliche Absichten?
Die Pferde mussten am kurzen Zügel gehalten werden, damit sie nicht scheuten und ihre Reiter abwarfen, und die Männer waren gezwungen, dicht nebeneinander zu reiten, während der Schacht immer enger wurde.
Bolingbroke murmelte etwas vor sich hin, und obwohl Thomas seine Worte nicht verstand, wusste er, was Hal gesagt hatte: Das gefällt mir nicht.
Beinahe im selben Moment ritten sie in eine Höhle hinein, die kaum breiter war als der Schacht, dafür aber vierzig oder fünfzig Fuß hoch.
In ihrer Mitte öffnete sich das gähnende Loch des abgesackten Bodens vor ihnen, das in unbekannte Tiefen hinabführte.
Reicht es womöglich bis in die Hölle hinab?, fragte sich Thomas.
Am gegenüberliegenden Ende der Höhle waren so viele brennende Fackeln in die Wände gesteckt worden, dass sie einen leuchtenden Baldachin über Philipp von Navarra und seinem Gefolge bildeten. Obwohl Philipp dieselbe Anzahl Männer mitgebracht hatte wie der schwarze Prinz, wirkte es, als seien es viel mehr, denn sie trugen weiße Stahlrüstungen, die poliert waren, damit sie die Helligkeit zurückspiegelten. Die Lichtstrahlen der Fackeln wurden von ihnen reflektiert und durch die Höhle geworfen, sodass Philipp und seine Männer von einem goldenen Leuchten umgeben waren.
Philipp selbst saß an der Spitze seiner Männer auf seinem Schlachtross, die Hufe des Pferdes befanden sich fast am Rand des tiefen Abgrunds. Ebenso wie seine Männer war er in glänzenden Stahl gekleidet, und nur die goldene Krone auf seiner Kesselhaube unterschied den König von den Adligen. Sein Visier war hochgeklappt und sein hübsches Gesicht zu einem fröhlichen Grinsen verzogen. Er schien etwas auf seinem Sattelknauf festzuhalten, doch die Entfernung war zu groß, als dass irgendjemand in der Gesellschaft des schwarzen Prinzen hätte erkennen können, was es war.
»Seid gegrüßt, Eduard! «, rief Philipp und hob den rechten Arm zum Gruß.
Der schwarze Prinz brachte sein Pferd gegenüber von Philipp zum Stehen und klappte das Visier hoch. Bolingbroke tat es ihm nach.
»Nun, Philipp«, sagte der schwarze Prinz und nickte mit ausdruckslosem Gesicht. »Das sieht ja recht beeindruckend aus.«
Philipps Grinsen wurde breiter, und er lachte ein wenig gekünstelt.
»Ihr habt Hal mitgebracht«, sagte Philipp, »und Thomas. Thomas! Schön, dich zu sehen, mein Freund!«
Thomas nickte ihm zu, sagte jedoch nichts. Er befand sich direkt hinter Eduard und Bolingbroke – der Platz zwischen ihren Pferden war breit genug, sodass er Philipp gut sehen konnte, und dieser ihn.
»Hattet Ihr einen angenehmen Ritt?«, fragte Philipp.
»Genug der Tändelei!«, erwiderte der schwarze Prinz, und Thomas wurde mit einem Mal bewusst, dass Eduard überaus angespannt und erschöpft wirkte.
War er müde? Er hatte gerade einen anstrengenden zweitägigen Ritt hinter sich gebracht und war von Anfang an nicht bei bester Gesundheit gewesen.
Philipp zuckte mit den Achseln. »Wie Ihr wünscht. Hat Tom Euch mein Angebot
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