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Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Lise Marstrand-Jørgensen
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hängendem Kopf und roten Wangen da. Er zittert vor Kälte und Anspannung. Er hält den Blick gesenkt und isst unendlich langsam.
    Hildebert treibt ihn zur Eile an. Er will mit ihm nach Worms reiten, wo einer der Ordensbrüder aus Cluny zu Besuch im Kloster ist und Drutwin mit nach Frankreich nehmen wird.
    »Das hat mich einige Überredungskunst gekostet«, sagt Hildebert.
    Der Junge krümmt sich bei den Worten seines Vaters zusammen, taucht den Löffel in die Grütze und stößt dabei gegen den Bierkrug, der umkippt.
    »Darf ich auf Wiedersehen sagen?«, flüstert Drutwin.
    »Das hast du gerade getan«, sagt Hildebert und nickt in Mechthilds Richtung.
    »Darf ich Hildegard auf Wiedersehen sagen?«, fragt er.
    »Hildegard schläft«, antwortet Hildebert und trommelt ungeduldig mit den Fingern auf den Tisch. Der Junge schiebt die Schale von sich weg und nickt zum Zeichen, er sei bereit.
    Mechthild folgt ihnen auf den Hofplatz. Die Kälte setzt sichin ihren Füßen fest, Tau durchdringt ihr Nachthemd, aber sie achtet nicht darauf. Schlägt die Arme um den Körper und klappert mit den Zähnen, während sie ihren Sohn aufs Pferd steigen sieht, den Rücken ihres Mannes sieht, der sich über den Hals seines Pferdes beugt und es freundlich klopft. Kein Blatt rührt sich in der Krone der großen Ulme. Dann segelt doch eins durch die Luft und landet sanft vor Mechthilds Füßen, golden und glänzend. Sie starrt auf das Blatt, als berge es eine Botschaft in sich. Als sie wieder aufsieht, reiten ihr Mann und ihr Sohn gerade durch das Tor. Drutwin dreht sich um, wendet ihr das Gesicht zu und hebt zögernd die Hand zum Abschied. Seine Augen sind groß und dunkel, aber er weint nicht. Hinter dem Wald leuchtet ein bleicher Kranz unter dem dunkelblauen Himmel. Im Stall brüllen die Kühe vor Schmerz über ihre gespannten Euter. Mechthild bleibt stehen und stiert zum Tor. Noch mehr Blätter landen vor ihr auf der Erde. Rote, gelbe, braune. Sie sammelt ein paar zu einem kleinen Strauß zusammen, eine geisterhafte Braut mit offenem Haar und eiskalten Händen. Dann schleudert sie die Blätter weg, tritt rasend nach der Katze, die aus dem Stall geschlichen kommt, tritt gegen einen Stein, gegen ein paar Zweige, die auf dem Hofplatz liegen, gegen einen Holzeimer, der dumpf und hohl über die Erde poltert.
 
    Erst als Hildebert ohne Drutwin aus Worms zurückkehrt, fragt Hildegard nach ihrem Bruder. Hildebert antwortet nicht, und auch Mechthild sagt nichts. Als Hildebert mit Hugo nach Sponheim reitet, erklärt Agnes ihr wortkarg und unbeholfen, Drutwin sei gerufen worden, um dem Herrn zu dienen. Hildegard ist außer sich, als ihr klar wird, dass er nicht zurückkommt. Sie weint und tobt, und Mechthild meint, es sei das Beste, sie inRuhe zu lassen. Früher oder später muss sie sich daran gewöhnen und lernen, dass Menschen verschwinden können. Und dass wir nur in die Welt gesetzt werden, um zu verlieren.
 

 

17
      
Als das Küchenmädchen an der Feuerstelle steht und sich schwerfällig über ihren dicken Bauch bückt, um die Glut anzufachen, sieht Hildegard es und schreit. Agnes kommt herbeigeeilt, zuerst wütend über den Aufruhr, dann ängstlich. Mechthild hört das Kind kreischen, steht in der Tür zum Küchenhaus und verdunkelt die Sonne.
 
    »Was ist in dich gefahren, Kind? So schweig doch still.« Agnes bohrt ihre Finger in den Arm des Mädchens, aber das lässt die Erscheinung nicht verschwinden. Der Klang von Hildegards Stimme steigt hinauf unter den Himmel, wo er sich in einem Echo vervielfacht, das die Vögel auf dem First die Flucht ergreifen lässt.
    »Ich habe nichts getan. Sie kam einfach herein und starrte mich an, und dann schrie sie.« Das Küchenmädchen hält sich die Hände vor die Ohren, denn das Kind schreit wie eine vollkommen Wahnsinnige.
 
    Mechthild jagt das Küchenmädchen hinaus, jagt Agnes hinaus, nimmt das Gesicht ihrer Jüngsten zwischen beide Hände, die feucht sind von der sauren Milch, mit der sie eben noch zu Gange war.
    »Sprich mit mir, Hildegard, was ist in dich gefahren?«
    »Es ist das Kind«, sagt Hildegard, »es lebt nicht mehr.«
 
    Die Zeit ist ein Spinnennetz zwischen zwei Ästen. Mehr sagt das Kind nicht, sie kämpft mit der Erscheinung. Es war nicht nur der Tod, den sie sah, es war ein tanzender Teufel, der über den Rücken des Küchenmädchens sprang und so sehr lachte, dass seine feuerrote Zunge bis zu ihren Knöcheln hinabhing. Über ihrem Bauch rieb er sich das Hinterteil, und

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