Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Lise Marstrand-Jørgensen
Vom Netzwerk:
Plätzchen riechen? Aber Jutta war unbeugsam. Saß gerade und ausdruckslos da, ohne auch nur mit einem Nicken zu antworten.
    Zu Hause in Sponheim tat sie nichts anderes, als zu beten, zu fasten und ihr ganzes Gewicht gegen die Tür zu legen, jedes Mal wenn der Teufel sie mit Erinnerungen oder mit der eigensinnigen Lust des Fleisches zu locken versuchte. Am schlimmsten war es nachts. Da trieb der Teufel seinen Schabernack mit ihr, nahm in Gestalt von Wilhelm ihre Träume ein und berührte sie, sodass der Körper erzitterte und sich ebenso stark in Freude wie in Schmerz wand. Zuletzt wagte sie überhaupt nicht mehrzu schlafen, gab Kunlein Order, zu wachen und sie zu den undenkbarsten Zeiten zu wecken. Sie wolle sich auf das Klosterleben vorbereiten, sagte sie, sich an die Stundengebete gewöhnen und daran, nur wenige Stunden zu schlafen . Sie bedrängte ihre Mutter und ihren Bruder, ihr die Erlaubnis für eine Pilgerreise nach Santiago de Compostela zu erteilen. Aber Meinhardt wollte von einer solchen Reise nichts hören, unter keinen Umständen. Gewiss hatte ihre Tante die Reise früher einmal auf eigene Faust unternommen, aber für ein so junges Mädchen war es zu gefährlich, ganz egal, wie beschützt und berufen von Gott sie auch war. Also verfiel Jutta wieder einige Tage lang in Schweigen, bis sie einen neuen Einfall hatte. Sie wollte ohnehin nicht ins Kloster nach Trier, wie es beabsichtigt war. Sie wollte ein Kloster finden, das sie als Inklusin aufnahm und sie zu einem Leben in äußerster Frömmigkeit und Askese geleitete. Vater Thomas wurde wieder herbeigerufen, der ihr erklärte, dass für gewöhnlich nur Mönche und Nonnen, die bereits das Klostergelübde abgelegt und seit mehreren Jahren ein frommes Leben geführt hatten, die Erlaubnis erhielten, eingemauert zu werden. Dann müssen sie eine Ausnahme machen, hatte sie, ohne zu zögern, geantwortet.
    Vater Thomas kam einen Monat lang jeden Tag und sprach mit ihr. Sie erzählte ihm von ihren qualvollen Nächten, und er antwortete, das Band zur Welt müsse gelöst und der Körper gezüchtigt werden, damit der Mensch eins mit Gott werden könne. Der Teufel findet Nahrung in der Menschen Sünde, er frisst sich fett und dick an Torheit und Unzucht, er rafft an sich in immer neuer Gier. In seinem Bauch öffnet sich ein Mund, er hat Zähne und Klauen überall, er schlingt seinen gezackten Schwanz um verlorene Seelen. Vater Thomas schlug ihr vor, Novizin im Kloster in Trier zu werden und mit der Entscheidung, Inklusin zu werden, ein paar Jahre zu warten. Er malte ihr aus, wie die Totenmesse für den gelesen wird, der eingemauert werden soll, wie sie ein einsames Leben in Schweigen und Gebet ohne viel Kontakt zu anderen Menschen leben würde. Jutta blieb hartnäckig. Opferte sie ihr Leben Gott, musste sie es so vollkommen wie nur möglich tun. Sie fragte ihn über die Wüstenväter aus, fragte nach den Regeln für weibliche Inklusen, auf die er hinwies, und Vater Thomas begann zu glauben, dass es der scharfe Kopf des Mädchens war und nicht ihr leicht entzündliches Fleisch, der letztendlich die größte Distanz zwischen ihr und Gott ausmachen würde.
    Schließlich gab er nach. Er informierte zuerst Meinhardt und Sophia, erklärte ihnen, dass Jutta ihren Wunsch beharrlich und mit einer solchen Bestimmtheit wiederholte, dass es schwer war, es als etwas anderes zu deuten als einen Ausdruck des Willens Gottes. Sophia protestierte. Sie wollte ihre Tochter für die Welt nicht sterben lassen, sagte sie. Vater Thomas sah sie mit hartem Blick an und antwortete nicht einmal. Als sie schwieg, sprach er weiter, und langsam hatte der Plan so lebendige Gestalt angenommen, als sei Jutta bereits von einer Steinmauer umgeben. Das Kloster am Disibodenberg sollte reformiert werden, und ein Inkluse war genau das, was dem Rest der Welt seine Strenge und Intentionen unter Beweis stellen konnte. War es obendrein ein Inkluse, der ansehnliche Gaben in Form von Land und Unterstützung für die Errichtung und den Ausbau des Klosters anbieten konnte, fiel es ihm schwer, sich vorzustellen, sie könnten ablehnen. Normalerweise musste ein geistlicher Rat einberufen werden, um diese Art von Entscheidungen zu treffen, aber in Anbetracht der Umstände könnten sie vielleicht das Glück haben, dass der Erzbischof eigenhändig seine Erlaubnis geben und die Dinge beschleunigen würde.
    Meinhardt versetzte die Verschwörung zwischen Jutta und Vater Thomas in Wut, und er verließ Sponheim für mehrere

Weitere Kostenlose Bücher