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Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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dir: Unterschätze dergleichen nie! Unterschätze nicht die Macht des Mickrigen und Hässlichen! Loki nämlich, listig und böse, brachte Baldurs blinden Bruder dazu, den Mistelzweig auf Baldur zu werfen, und aus dem schönen Gott wurde ein vernichteter.«
    Thure röchelte. Taurin war nicht sicher, ob er sich an seinen schnellen Worten verschluckt hatte, auf abartige Weise lachte oder einfach nur Baldurs Tod nachäffen wollte. Nur eines war sicher: dass all das Gerede noch schwerer zu ertragen war als der Geruch von verbranntem Fleisch.
    Seine Hand zitterte nicht länger, als er die glühende Streitaxt hob und die Klinge an Thures Gesicht presste. Kein röchelnder Laut erklang nunmehr - nur Furcht erregendes Geschrei.
    Taurin presste die Augen zusammen, um nicht zu sehen, wie sich der Grässliche wand, als er die Axt endlich sinken ließ, aber die Ohren konnte er sich nicht zuhalten. Er wusste, dass das Geschrei ihn fortan verfolgen würde. Und das Geschrei wurde nicht leiser, der Geruch nach verbranntem Fleisch nicht erträglicher.
    Was tue ich?, dachte er.
    Er drehte sich von Thure fort, ihm dann wieder zu. Endlich wurde aus dem Schreien ein Wimmern. Taurin öffnete die Augen. Thures Gesicht war nicht länger von Haut geschützt, nicht mal von narbiger. Was Taurin sah, war nacktes, blutendes Fleisch.
    Erst wand der Gefangene sich heftig, dann lachte er hysterisch und brüllte wie von Sinnen. »Mehr Gift! Mehr Gift!«
    Nicht nur Taurin zweifelte an seinem Verstand. Auch seine gleichgültigen Männer warfen sich unbehagliche Blicke zu.
    »Er ist verrückt«, stellte einer fest.
    Taurin nickte, und zugleich dachte er: Wer ist das nicht?
    »Mehr Gift!«, kreischte Thure indessen wieder.
    Taurin hob drohend die Axt. »Sag endlich, was du über diese Frauen weißt!«
    Schmerz und Wahnsinn schienen Thure nicht das Vermögen geraubt zu haben, zu reden. Er fuhr mit schnellen Worten fort: »Baldur war also tot! Der saubere, tapfere, starke Gott fuhr in die Unterwelt! Doch noch war nicht alles verloren. Hel, die Göttin des Todes, ließ sich von Friggs Flehen erweichen und war bereit, Baldur aus ihren Fängen zu lassen, vorausgesetzt, dass jedes Wesen um Baldur weinte. Ließ ein Einziger nur ehrliche Trauer vermissen, sollte er bei ihr bleiben. Und sie weinten, schluchzten und heulten vermeintlich alle, ein Wesen jedoch nicht. Eine alte Frau war dieses Wesen; sie hockte in einer Höhle, und sie behauptete, Baldurs Tod sei ihr gleichgültig. Errätst du, wer die alte Frau war?«
    Wie konnte er mit diesen Verletzungen reden? Taurin umklammerte die Streitaxt fester.
    »Die alte Frau war niemand anderes als Loki!«, rief Thure triumphierend. »Er verbarg sich in ihrer Gestalt, und er weinte nicht um Baldur, denn Baldurs Tod war ihm gleichgültig. Ja, er weinte nicht, er lachte.«
    Thure begann selbst zu lachen. Und heulte zugleich vor Schmerz.
    Die Klinge der Streitaxt glühte nicht mehr rot, sondern hatte sich verdunkelt. Taurin hielt sie erneut in die Flammen, sah, wie sie lustlos daran züngelten.
    »Was weißt du über die Frauen?«, bellte er.
    Thure wurde still, dann sprach er erneut. »Loki also weinte nicht, und Hel gab Baldur nicht frei. Die anderen Götter, zutiefst empört, rächten sich an Loki. So wie Hel Baldur gefangen hielt, nahmen sie ihn gefangen und sperrten ihn in besagte Höhle. An drei spitzen Felsen banden sie ihn fest, und über seinen Kopf hängten sie eine giftige Schlange. Das Gift tropfte auf sein Gesicht; es verbrannte seine Haut, was ihm unerträgliche Schmerzen bereitete.« Er keuchte, stöhnte, ächzte, dann fuhr er fort. »Sigyn, Lokis Frau, wollte ihm helfen. Sie eilte herbei, hob eine Schüssel über sein Gesicht, um das Gift rechtzeitig aufzufangen. Aber immer wenn das Gefäß voll war und sie sich zur Seite wandte, um es zu entleeren, tropfte neues Gift in Lokis Gesicht. Er fing zu zittern an, ja, er krümmte sich in so qualvollen Zuckungen, dass die Erde erbebte und die Vulkane begannen, Feuer zu spucken.«
    Jede Regung Lokis, von der er sprach, ahmte Thure nach. Er zitterte, er krümmte sich, er bebte, er spuckte. Er trat mit den Füßen auf den Boden. Er hatte Schmerzen, aber er hatte keine Angst vor neuen. Wieder lachte er hysterisch auf.
    Taurin ließ die Streitaxt fallen. Er würde kein zweites Mal Thures Gesicht verbrennen können, ohne sich zu übergeben. Ohne zu lachen zu beginnen, wahnsinnig wie jener. Ohne verrückt zu werden.
    »Mehr Gift!«, kreischte Thure.
    Durchdringend war

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