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Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Stunde der Not nicht von ihr zurückweichen möge. Er tat es trotzdem, und sie seufzte kummervoll.
    »Auch wenn du die Wahrheit kennst ... macht es ... macht es wirklich so einen großen Unterschied?«
    »Das Blut eines Mannes ist anders als das einer Frau«, murmelte er und wandte sich ab.
    Nicht alle Nonnen hatten den Weg zur Kapelle eingeschlagen, wie die Äbtissin jetzt, da sie sich umdrehte, sah - Mathilda hatte an ihrer Seite verharrt.
    »Was meint er damit?«, fragte sie verwirrt.
    Irrte sie sich, oder fielen die Faustschläge gegen das Tor nicht mehr ganz so heftig aus? Hatten die Männer ein Einsehen, dass sie unmöglich diesen Bau aus Stein und massivem Holz stürmen konnten?
    Die Äbtissin fühlte sich mit einem Mal erschöpft - und trotz des Schutzes, das Tor und Mauern boten, heimatlos. Als sie zur Kapelle blickte, wusste sie, dass sie dort weder Frieden noch Zuversicht finden würde.
    »Er weiß nicht mehr, wer er ist und zu wem er gehört«, vertraute sie Mathilda unwillkürlich an. »Und wenn ich ehrlich bin - ich weiß es auch nicht mehr.«

VII.
    N ORDMÄNNERLAND H ERBST 911
    Nichts war Taurin so zuwider wie der Geruch nach verbranntem Menschenfleisch. Und nichts so widerwärtig, wie jemandem Gewalt anzutun. Noch schlimmer, als zu töten, war es für ihn stets gewesen, einen Mann zu foltern.
    Doch dieser hier ließ ihm keine andere Wahl, ja, schien es sogar darauf anzulegen. Zuerst hatte er nicht gezögert, Taurins Fragen zu beantworten: Sein Name sei Thure. Die Männer in seinem Gefolge seien großteils aus dem Norden mit ihm gekommen - keine Dänen, sondern aus Norvegur stammend - der Rest Kelten, die sich ihm erst hier im Nordmännerland angeschlossen hätten, einstige Sklaven allesamt, die mit Freiheit nicht viel anfangen könnten und gewohnt seien zu gehorchen. Der narbige Mann hatte gegrinst, als er das sagte. Es schien ihm zu gefallen, dass manche Menschen so verroht waren, dass sie einem wie ihm folgten, obwohl sie dabei den Tod finden konnten.
    Danach grinste er nicht mehr, und sein Wortfluss kam zum Erliegen. Er weigerte sich, über die zwei Frauen zu sprechen, vor allem darüber, dass eine von ihnen die Königstochter Gisla war.
    Taurins Ärger wuchs - über Thures Verstocktheit und über die Tatsache, dass ausgerechnet diese jämmerliche Kreatur seine letzte Hoffnung war. Die Frauen waren geflohen, vielleicht sogar tot - und Thure war ein Zeuge, der das Ungeheuerliche bestätigen konnte: dass die Frau im Bischofspalast von Rouen nicht die fränkische Prinzessin, sondern nur deren Dienerin war. Auch wenn man einem wie ihm kaum trauen konnte, war es einen Versuch wert, in Rollo Zweifel zu säen.
    Thure jedoch schwieg ausdauernd, und sein neuerliches Grinsen verriet, dass er es weiterhin tun würde: während des langen Wegs nach Rouen und vor allem auch dort. Anstatt aufzubrechen, drohte Taurin, ihn notfalls mit Gewalt zum Reden zu bringen, und als die Drohung nichts fruchtete, entschied er, sie wahr zu machen.
    Er erteilte den Befehl, eine Streitaxt ins Feuer zu halten, bis ihre Klinge glühte, und während ihm selbst vor dem graute, was danach folgen würde, lauschte Thure dem Befehl gleichgültig. Die Männer in Taurins Gefolge wiederum waren einzig an der Qualität des Eisens interessiert - zumindest sprachen sie ausführlich darüber, während es sich erhitzte, und sie betrachteten nicht nur die Streitaxt, sondern alle anderen Waffen, die sie erbeutet hatten, als sie Thures Männer töteten. Die wenigen Schwerter waren zwar insgesamt kürzer, aber - im Gegensatz zu ihren eigenen - zweischneidig, und obwohl ansonsten maulfaul, diskutierten sie ausgiebig, welchen Nutzen dies hätte.
    Taurin fasste es nicht, woher sie die Ruhe nahmen, starrte missmutig in die Flammen, um nicht in Thures Gesicht und das seiner Männer sehen zu müssen. Und wieder einmal holten ihn die Erinnerungen ein.
    Feuer ... überall Feuer ... der Turm auf der Brücke, aus Holz gebaut, stand in Flammen und stürzte krachend in den Fluss. Die Brücke selbst war aus Stein, sie hielt dem Angriff stand ... Aber wie lange noch?, fragten sich alle. Wie lange noch?
    Genau das fragte auch die Stimme, die ihn aus den Erinnerungen riss. »Wie lange noch?«, rief Thure. »Wie lange soll ich noch warten?«
    Taurin antwortete nicht, sondern warf einen Blick auf das Eisen, das sich rötlich färbte. Wieder stiegen Erinnerungen hoch, nicht an die Belagerung, sondern an ein Gottesurteil, dessen er einst Zeuge geworden war und das zu

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