Tochter des Ratsherrn
Gefesselten plötzlich frei waren, was ihnen einen ersten Vorteil verschaffte.
Godeke stürzte sich auf Bodo und hieb ihm sein Messer in die Schulter. Es war kein tiefer Stich, doch der Hüne brüllte wütend auf. Leider schmälerte die Wunde seine Kräfte nicht im Geringsten. Noch im gleichen Moment packte der Verletzte seinen Angreifer am Wams und schleuderte ihn mühelos auf den hölzernen Tisch, der mit einem lauten Krachen in der Mitte zerbrach. Dabei bohrte sich ein Holzsplint so unglücklich in Godekes Bein, dass er eine tiefe Wunde davontrug. Er schrie vor Schmerz, doch es blieb ihm keine Zeit, seiner Verletzung Beachtung zu schenken. Mit zusammengebissenen Zähnen zog er das Holz aus seinem Fleisch und schnellte danach sofort wieder auf die Füße – bereit für Bodos nächsten Angriff.
Thiderich hatte sich währenddessen auf den ebenso überraschten Johannes gestürzt. Seinen Knüppel mit beiden Händen gepackt, holte er weit aus und traf sein Gegenüber am Oberschenkel. Zu seinem Bedauern war Johannes jedoch weit zäher, als er aussah. Bloß ein dumpfes Stöhnen entfuhr ihm, während er kurzzeitig einknickte, dann fing er sich wieder und ging wutschnaubend auf seinen Gegner los. Die Hände zu Krallen geformt, trieb er seine Finger tief in dessen Fleisch. Thiderich spürte, wie Johannes’ Nägel blutige Striemen an seinen Armen hinterließen und brüllte auf. Erst mit einer geschickten Drehung gelang es ihm, sich zu befreien, dann versetzte er seinem Gegenüber einen Faustschlag ins Gesicht. Johannes taumelte zurück und stützte sich an einer Wand ab, um nicht zu fallen. Bebend vor Schmerz und Zorn spuckte er darauf Blut und einen Schneidezahn aus. Thiderich wollte den Moment nutzen, um ihn erneut anzugreifen, doch Johannes hatte sich bereits wieder gefasst und kam ihm zuvor. Rasend vor Wut griff er nach Thiderichs Haaren und begann wie verrückt daran zu reißen. Sein Opfer ließ nichts unversucht, sich aus Johannes’ Griff zu lösen. Schließlich gelang es ihm, seinem Gegner einen Ellenbogenhieb in die Rippen zu versetzen. Johannes krümmte sich und kassierte gleich noch einen kurzen, aber leider nicht sehr kräftigen Haken. Doch so schnell ließ sich Godekes ungleicher Zwillingsbruder nicht kleinkriegen. Mit einem Satz sprang er auf seines Feindes Rücken und begann, ihn mit einem Arm zu würgen. Thiderich hatte alle Mühe, sich gegen einen Mann zu wehren, der kämpfte wie ein wild gewordenes Weib. Schon lange hatte er seinen Knüppel weggeworfen, um die Hände frei zu haben. Beide Männer schenkten sich nichts. Das hier war ein Kampf auf Leben und Tod.
Bodo und Godeke umkreisten einander unterdessen in der Hoffnung, einem von ihnen würde eine Unachtsamkeit unterlaufen. Die Beine leicht gebeugt, die Arme zum Angriff erhoben und den Körper in Lauerstellung ließen sie sich nicht aus den Augen, als plötzlich etwas Unerwartetes geschah.
Luburgis war wieder zu Bewusstsein gekommen und stürzte nun ungehalten auf Bodo zu. Wie von Sinnen griff sie nach einem seiner baumdicken Arme und versuchte ihn daran fortzuzerren. »Bodo, ich bitte dich, lass Godeke gehen. Tu ihm nichts!«, rief sie immer wieder flehentlich. Doch so heftig sie auch an ihm zog, der Hüne rührte sich nicht von der Stelle. Bodo war kräftig, und er war wütend. Mit einer einzigen Bewegung entledigte er sich der lästigen Luburgis und schleuderte sie direkt gegen Thiderichs Rücken. Dieser wurde von dem unerwarteten Aufprall so überrascht, dass er den Halt verlor und zusammen mit Luburgis zu Boden ging.
Johannes nutzte die Gelegenheit, packte Thiderichs Hals und drückte mit aller Kraft zu, bis dieser kaum mehr Luft bekam. Grinsend, mit irrem Blick und blutverschmiertem Gesicht stierte Johannes auf sein Opfer herunter, das vergeblich versuchte, die Hände um seinen Hals zu lösen. Thiderich lief rot an und begann verzweifelt zu röcheln. Johannes drückte noch fester, bis seine hassverzerrte Miene fast ebenso rot war wie das Antlitz seines Opfers.
Luburgis rappelte sich wieder auf. Verstört sah sie von Johannes zu Godeke und wieder zu Johannes. Sie schien nicht glauben können, was hier gerade geschah. Wie von Sinnen schrie und flehte sie, die Männer mögen aufhören, doch keiner der vier schenkte ihr auch nur die geringste Beachtung. Schließlich griff sie in ihrer Not nach einem Schemel.
Godeke hatte Bodo kurz zuvor angegriffen, nun trugen sie einen Faustkampf aus. Zunächst hatte Bodo in seiner unbändigen Wut unzählige
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