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Tochter des Ratsherrn

Tochter des Ratsherrn

Titel: Tochter des Ratsherrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Tan
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entzückt die Hände zusammen. »Godeke, mein Sohn, du bist erwacht!«, rief sie freudig und setzte sich schon in Bewegung, um zu ihm zu eilen, doch Johannes war schneller und stellte sich ihr in den Weg.
    »Bist du denn von Sinnen, Mutter? Nimm dich gefälligst zusammen! Godeke ist nicht mehr länger dein Sohn, sondern unser Feind.«
    »Da sind wir uns ja ausnahmsweise mal einig, Bruder«, gab Godeke hasserfüllt zurück.
    »Halt’s Maul, sonst werde ich es dir stopfen«, drohte Bodo bösartig in Godekes Richtung.
    »Halt du gefälligst das Maul«, herrschte Johannes Bodo plötzlich an. »Ich bestimme hier, wer zu reden und wer zu schweigen hat.«
    Hasserfüllt funkelten die beiden Männer einander an.
    »Ach ja? Vielleicht sollten wir nach draußen gehen und das ein für alle Mal klären«, schlug Bodo kampfeslustig vor und hieb dabei die rechte Faust in die flache Linke.
    »Aufhören!«, befahl Luburgis mit Nachdruck und trat zwischen die Männer. »Wann werden eure Streitereien bloß endlich ein Ende finden? Ihr könnt doch nicht für alle Zeit so weitermachen und euch benehmen wie zwei wild gewordene Köter.«
    Ohne auf die Worte seiner Mutter zu achten, stierte Johannes den Hünen voller Zorn an. Er hatte genug. Der plumpe Kerl war ihm schon vom ersten Tag an ein Dorn im Auge gewesen. Bloß weil er ihn nur selten zu Gesicht bekommen hatte und Luburgis auf seine Hilfe angewiesen war, hatte er Bodos Gegenwart ertragen. Nun aber, da er selbst wieder in der Hütte wohnte, konnte er einen zweiten Mann unter seinem Dach nicht länger dulden. Er war der Herr in diesem Haus – so klein es auch sein mochte. Abfällig sagte er deshalb: »Ich habe nichts draußen mit dir zu klären. Verschwinde, du Hundsfott. Dies hier ist meine Hütte, und du hast hier ab heute nichts mehr verloren.«
    »Johannes!«, warf Luburgis sichtlich erschrocken ein. »Das … das kannst du doch nicht machen. Wir … wir brauchen Bodo. Darüber haben wir doch schon gesprochen!«
    Plötzlich lachte Thiderich so laut auf, dass alle Köpfe zu ihm herumfuhren. Es belustigte ihn ungemein, wie ihm das Schicksal in die Hände spielte. »Es ist wahrlich erbärmlich, wie du um Bodo kämpfst, Luburgis«, sagte er abfällig. »Meinst du wirklich, es ist dir nicht bereits deutlich anzusehen, warum du ihn wirklich in deiner Nähe behalten willst?«
    Luburgis wurde blass. »Schweig gefälligst«, stieß sie so schrill aus, dass selbst Johannes sie erstaunt musterte.
    Doch Thiderich schwieg nicht. Sein Gesicht wurde ernst, und seine Hände umfassten den Knüppel hinter seinem Rücken noch fester als zuvor. »Ja, jetzt fürchtest du, dass ich dein kleines Geheimnis preisgebe, nicht wahr?«
    Blitzschnell schoss die geächtete Ratsherrnfrau auf Thiderich zu und schrie außer sich vor Zorn: »Du sollst still sein, habe ich gesagt!« Dann schlug sie ihn so heftig ins Gesicht, dass sein Kopf grob zur Seite geschleudert wurde. Seine Lippe platzte auf und begann zu bluten, doch sein überlegenes Lächeln blieb.
    Noch bevor seine Stiefmutter weitere Schläge austeilen konnte, packte Johannes sie am Arm und riss sie herum. »Wovon redet er?«, knurrte er bedrohlich leise.
    Doch es war Thiderich, der Johannes an Luburgis’ Stelle Antwort gab. Herausfordernd spuckte er ihm sein Blut vor die Füße, dann lüftete er das Geheimnis, welches Bodo und Luburgis all die Wochen gehütet hatten. »Ich rede davon, dass deine Stiefmutter und der Hüne sich miteinander vergnügt haben, während du als Weib verkleidet in der Stadt rumliefst. Bei jeder Gelegenheit haben sie es direkt vor meinen Augen getrieben. Manchmal hat er ihre Röcke sogar mehrfach am Tag gelüpft, um sie wie ein Kaninchen zu besteigen. Sie haben dich verspottet, Johannes, und du hast es nicht einmal gemerkt.« Wieder begann Thiderich schallend zu lachen. Das Gefühl, Rache an seinen Feinden zu nehmen, indem er sie gegeneinander aussspielte, enschädigte ihn für all die durchstandene Pein.
    Johannes’ Blick wurde finster. Er musste seine Stiefmutter nicht erst nach der Wahrheit fragen – er hatte es ohnehin die ganze Zeit über geahnt. Ohne Vorwarnung holte er mit der freien Hand aus und schlug ihr damit so heftig ins Gesicht, dass ihr Körper eine halbe Drehung vollführte und erst dann zu Boden ging.
    In diesem Moment sprangen Thiderich und Godeke mit wildem Geschrei vom Boden auf und griffen Johannes und Bodo völlig unvermittelt an. Ihre Gegner erstarrten ob der Verblüffung darüber, dass die vermeintlich

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