Tochter des Ratsherrn
Schläge ins Leere ausgeteilt, während Godeke, das Messer in der Rechten fest auf den Feind gerichtet, einzig damit beschäftigt war, Bodos harten Fäusten auszuweichen. Er wusste, dass ein einziger Treffer des Hünen ihn stürzen konnte. Doch nur wenig später waren die Männer fest ineinander verkeilt. Es war ein Kampf zwischen zwei höchst ungleichen Männern, nur weil einer der beiden mehr Kraft und der andere das bessere Vorgehen besaß, währte er noch immer.
Luburgis wusste plötzlich, was sie zu tun hatte. Ihr Herz hatte entschieden. Bodo war zwar ihr Gespiele, doch Godeke war ihr Sohn, den sie über alles liebte. Und so holte sie aus und zerschlug das hölzerne Gestühl mit aller Kraft auf Bodos Kopf.
Erstaunt riss der Hüne die Augen auf, dann krümmte er sich schmerzerfüllt zusammen.
Dieser kurze Moment genügte Godeke. Mit einem Ruck befreite er seine Messerhand aus Bodos Griff. Er zögerte nicht und legte all seine verbliebene Kraft in seine Rechte. Dann stieß er das Messer in den Hals seines Feindes. Sofort schoss ein dicker roter Strahl aus der Wunde, der im Gleichtakt mit Bodos Herzschlag sprudelte.
Luburgis schrie auf, als ihr Geliebter zu Boden ging. Die Hände vor den Mund gepresst blickte sie fassungslos auf die immer größer werdende Blutlache und den darin liegenden, zuckenden Bodo. Es ging zu Ende mit ihm.
Godeke wusste, dass er sich um ihn nicht mehr zu scheren brauchte. Sofort waren seine Gedanken bei seinem Freund. Er musste Thiderich, der von der langen Gefangenschaft ohnehin geschwächt war, unbedingt zu Hilfe eilen. Und so schnellte er herum, doch was er sah, raubte ihm fast den Atem.
Johannes hatte die Hände um den Hals seines Opfers gelegt und presste gnadenlos zu. Thiderich war dunkelrot angelaufen, und seine Zunge trat weit aus seinem Mund hervor. Entgegen des rastlosen, wutgestärkten Johannes zeigte sich der Körper des am Boden Liegenden eigenartig schlaff. Thiderich hatte längst aufgehört, sich zu wehren, seine Arme und Beine lagen regungslos am Boden.
Godeke stieß einen wütenden Schrei aus, nahm Anlauf und rammte seinen Bruder so heftig mit der Schulter, dass dieser sich mit ihm zusammen überschlug. Gleich darauf waren die Zwillinge in einen erbitterten Zweikampf verwickelt. Heftige Fausthiebe wurden ausgeteilt und eingesteckt, zurück blieben blutige Platzwunden und blaue Flecke auf den Leibern der Männer. Alles, was sich in ihrer Reichweite befand, wurde als Waffe eingesetzt. Sie kannten kein Erbarmen, und es stand außer Frage, dass sie einander töten wollten.
Wieder stand Luburgis vor einer Entscheidung, wieder hörte sie auf die Stimme ihres Herzens. Einer plötzlichen Eingebung folgend warf sie sich zwischen die Männer, um sie wenigstens für kurze Zeit auseinander und zur Besinnung zu bringen. Dabei entging ihr, dass Godeke gerade in diesem Moment sein zuvor verloren gegangenes Messer erneut zu greifen bekam und es auf seinen Bruder richtete. Laut schreiend rannte sie direkt hinein, dann wurde es schlagartig still in der Hütte.
Erst als ihre Schreie plötzlich erstarben, sahen die Brüder, dass die Klinge bis zum Heft in Luburgis’ Leib steckte. Starr vor Schreck hielten sie inne und stierten ihre Stiefmutter an.
Luburgis schaute ungläubig an sich herunter, dann zog sie langsam das Messer aus ihrem Bauch und ließ es fallen. Beide Hände auf die offene Wunde gepresst sackte sie vor ihren Stiefsöhnen auf die Knie. Dunkelrotes Blut sprudelte hervor und hinterließ eine breite Spur auf ihrem Kleid.
»Großer Gott, was haben wir nur getan?«, entfuhr es Godeke entsetzt. Auch wenn Luburgis ein verdorbenes Wesen besaß und sie seinen Eltern in der Vergangenheit nichts als Böses gewollt hatte, war er sich sicher, dass sie ihn aufrichtig geliebt hatte. Niemals hätte er sie töten wollen! Ein letztes Mal sah er in ihr von Conrad entstelltes Gesicht. Luburgis erwiderte seinen Blick. In ihren Augen war eine Mischung aus Liebe, Verblüffung und Schmerz zu erkennen.
Schon wollte er die Arme ausstrecken, um sie aufzufangen, da griff Johannes nach dem blutigen Messer und sagte abfällig: »Du bist schwach, Godeke. Trotz deines stärkeren Körpers hast du nie meinen unbeugsamen Willen besessen. Und jetzt wirst du sehen, was ich mit denen mache, die mich hintergehen.« Entschlossen setzte er die Klinge an Luburgis’ Hals und durchschnitt ihr damit die Kehle. Luburgis gab ein gurgelndes Geräusch von sich, dann kippte sie schlaff nach vorne.
Nun richtete
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