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Tochter des Ratsherrn

Tochter des Ratsherrn

Titel: Tochter des Ratsherrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Tan
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Die Gräfin war hin- und hergerissen. Wenn sie jetzt entscheiden müsste, wem von beiden sie ihren Segen geben würde, hätte sie nicht sagen können, wer ihn mehr verdiente. In der Hoffnung, noch etwas mehr zu erfahren, um sich ein klareres Bild machen zu können, bat sie: »Sagt mir, wer ist der Mann, der die Liebe Eurer Frau gestohlen hat?«
    Walther schaute nicht auf. Im ersten Moment war es schwer zu sagen, ob er ihre Frage überhaupt gehört hatte. Dann jedoch antwortete er ruhig, aber bestimmt: »Es ist ein Mann, dessen Namen ich Euch nicht nennen werde, Gräfin.« Als Margarete ihn ob dieser Ungehörigkeit mit einem erstaunten Blick bedachte, fügte er hinzu: »Glaubt mir, wenn es irgendein Bauernlümmel wäre, hätte ich ihn wahrscheinlich schon längst am nächsten Baum aufgeknüpft.«
    Die Gräfin verstand und drängte Walther nicht weiter, den Namen des offenbar hochwohlgeborenen Mannes preiszugeben. Den Rest der Fahrt über schwiegen sie.
    Der Tross kam nur langsam voran. Zu viele Menschen und zu viele Tiere bedeuteten immer, dass ständig wegen irgendetwas angehalten werden musste, sei es wegen eines geborstenen Wagenrads oder eines Pferdes, das ein Hufeisen verloren hatte.
    Gegen Mittag passierten sie die Schlachtwiese von Bornhöved und verließen kurz darauf die Ländereien von Johann II. Spät am Abend dann erreichten sie endlich Segeberg. Hier, auf der brüderlichen Siegesburg von Adolf V., erwartete die gräfliche Gefolgschaft, herzlich willkommen geheißen zu werden.
    Walther hatte noch niemals in seinem Leben eine so mächtige Festung gesehen. Die Siegesburg war eine der wenigen Höhenburgen des Landes, da es hier schlicht und einfach an geeigneten Erhebungen fehlte. Ihre Lage auf dem Kalkberg ließ sie nur noch gewaltiger erscheinen, als sie in Wirklichkeit schon war. Während des Anstiegs zur Burg öffnete Margarete die Vorhänge, damit sie und Walther den atemberaubenden Ausblick auf das Land zu ihren Füßen genießen konnten. Friedlich schmiegten sich die Häuser um den Berg, weit erstreckten sich die Felder und Wälder dahinter. Ein feiner Regen benetzte alles um sie herum und setzte den Geruch der feuchten Blätter, Wiesen und Äcker frei. Walther war noch niemals so hoch oben gewesen. Fasziniert sagte er: »Das sehen also die Vögel, wenn sie über uns hinwegschweben.«
    Margarete schaute zu ihrem Spielmann hinüber, der verträumt ins dämmrige Abendlicht blickte. Selten hatte sie in der Vergangenheit Männer wie ihn getroffen. Erschienen die Getreuen ihres Gemahls stets rau, kampfbereit und machthungrig, haftete Walther etwas Feinfühliges, fast Verletzliches an, was ihm etwas Anziehendes verlieh. Welche Frau wünschte sich nicht einen Mann wie ihn? Gleich nachdem ihr dieser Gedanke durch den Kopf geschossen war, schämte sie sich. Sie war eine verheiratete Frau und dazu eine Gräfin. Sie sollte keinen Gefallen an Männern des fahrenden Volkes finden.
    Mit großem Gepolter und Geklapper fuhr Johanns Gefolge in den Burghof ein, wo sie von Graf Adolf V. und seiner Gemahlin Euphemia begrüßt wurden.
    »Bruder, sei mir willkommen. Dem Herrn sei Dank, dass ihr alle gesund und wohl zu uns gelangt seid.« Während er sprach, umklammerte er die Schulter seines Gastes mit fester Hand.
    Johann II. erwiderte diese Geste und sagte: »Auch ich bin hocherfreut, dich zu sehen, Bruder. Aber meine Kehle ist trocken, und meine Kleider sind nass. Andersherum wäre es mir weitaus lieber.«
    Lachend versprach Adolf V.: »Das werden wir gleich ändern«, und legte den Arm um seines Bruders Schultern.
    Euphemia lächelte warmherzig und schloss Margarete fest in die Arme. »Geliebte Schwägerin, Ihr werdet schöner und schöner mit jedem Tag Eures erfreulichen Zustandes. Doch Ihr müsst sehr erschöpft sein. Kommt, ich bringe Euch in Euer Gemach, wo Ihr Euch ausruhen könnt.«
    »Habt Dank, meine Liebe. Die Reise war in der Tat beschwerlich für mich. Doch erzählt, wie ist es Euch seit dem Winter ergangen? Die Tage fliegen nur so dahin, nicht wahr?« Ins Gespräch vertieft schritten die Gräfinnen gemächlich Arm in Arm über den Burghof.
    Die Grafen und ihre Ritter waren schon längst im Hauptturm verschwunden, da drehte sich Margarete noch einmal um. »Spielmann!«
    Walther hielt inne. »Gräfin?«
    »Heute werden Eure Dienste nicht mehr benötigt. Aber morgen wünsche ich Eure Begleitung erneut.«
    Walther verbeugte sich tief vor den Damen und sagte: »Ich sehe dem morgigen Tag mit Freude entgegen.

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