Tochter des Ratsherrn
Adolf V. haben bereits Einzug durch die Tore der Stadt gehalten. Sie fahren direkt auf den Kunzenhof zu. Adolf ist allein, und Johann befindet sich in Begleitung von Gräfin Margarete.«
»Was sagt Ihr da? Er bringt sein schwangeres Weib mit zur Versammlung?« Verwundert schüttelte Graf Gerhard den Kopf. Ihm selbst würde es niemals in den Sinn kommen, seine Gemahlin irgendwohin mitzunehmen. Nachdem die schwedische Prinzessin Ingeborg dem Grafen vor acht Jahren das vierte Kind geboren hatte, sah man sie nur noch selten. Fast war es so, als hätte sie ihren Dienst erfüllt und sei ihm nun gleichgültig. Und in der Tat: Weder seine eigene Frau noch die seines Vetters beschäftigten ihn weiter. Die Gedanken Gerhards II. galten längst jemand anderem. »Wo ist Dominus Johannes vom Berge, und wo ist dieser Hexenfänger – Vater Everard?«, fragte er in Marquardus’ Richtung.
»Sofort, mein Herr«, antwortete der Ritter und winkte den ersten der beiden Genannten sogleich herbei.
»Ich grüße Euch, mein Fürst«, sprach Johannes ehrerbietig und verbeugte sich tief. Wie alle anderen im Saal schwitzte auch er so stark, dass ihm der Schweiß nur so von den Schläfen rann.
»Seid ebenso gegrüßt, Dominus«, antwortete Gerhard II. »Ist es nicht erstaunlich, was das Wetter für Spielchen treibt?«
Johannes lachte verschlagen und fächelte sich mit der Handfläche Luft zu. »Ihr sagt es. Gestern noch wollte es nicht aufhören zu regnen und heute diese Hitze. Wenn Ihr meine Kühnheit verzeiht, wage ich gar zu behaupten, Gott ist der heutigen Hexenverbrennung wohlgesinnt. Das Holz ist staubtrocken. Die Ungläubige wird im Nu in Flammen aufgehen.«
»Verzeiht mir meine Kühnheit, Dominus«, erwiderte der Graf mit unbewegtem Gesicht, »aber mir scheint, es kann Euch gar nicht schnell genug gehen damit. Mir wurde zugetragen, es sei Eure Idee gewesen, die Hexe durch das Volk aburteilen zu lassen, anstatt sie durch meinen Vogt vor Gericht einem ordentlichen Verfahren zu unterstellen. Bin ich da wohl unterrichtet?«
Johannes wurde starr vor Schreck. Wäre er aufgrund der Hitze nicht sowieso schon rot angelaufen, hätte seine Gesichtsfarbe sicher verraten, dass er es mit der Angst zu tun bekam. So wie der Graf seine Worte betonte, klang es tatsächlich danach, als hätte er dessen Amtmann, den Vogt, übergehen wollen. »Nun … das stimmt … der Vorschlag kam von mir. Ich war der Ansicht, ein so eindeutiger Fall bedürfe Eures viel beschäftigten Amtmannes nicht …«
»Marquardus! Wo ist dieser Geistliche?«, fiel Gerhard II. Johannes ins Wort.
»Er steht direkt neben Euch, mein Fürst. Zu Eurer Linken.«
Ruckartig drehte sich Gerhard II. nach links und schaute Everard an. »Warum sagt Ihr nichts, Mann?«
»Bitte verzeiht mir. Ich wollte Euch nicht unterbrechen. Womit kann ich Euch dienen?«
»Ich habe eine Frage an Euch. Berichtigt mich, wenn ich falsch liege, aber wart Ihr es nicht, der mein Haus so überaus selbstlos mit gesegnetem Wasser benetzte, um mich vor dem Zauber dieser Runa von Sandstedt zu beschützen?«
»Ja, so ist es.«
»Nun, mir scheint, ich bin umgeben von Männern, die entweder sehr an meinem Wohlergehen interessiert sind oder aber eigene Interessen vertreten, von denen ich noch nichts weiß.«
Der Graf ließ seinen toten Blick über Johannes’ Gesicht und wieder zurück zu dem von Vater Everard wandern. Beiden war es unmöglich, des Grafen Stimmung zu deuten, was ein unangenehmes Schweigen zur Folge hatte.
Plötzlich, als wäre nichts gewesen, fragte Gerhard II. Johannes in heiterem Ton: »Wie zufrieden seid Ihr eigentlich mit Euren jüngst erworbenen Mühlen in Schiffbek, vom Berge?«
Johannes starrte ihn verblüfft an. Es dauerte einen Moment, bis er sich gesammelt hatte. Der Graf änderte seine Stimmung so sprunghaft wie der Herrgott dieser Tage das Wetter. Er war nicht dumm und hatte bemerkt, dass er sich auf dünnem Eis bewegte. Der Graf misstraute ihm ebenso wie Vater Everard. Ab jetzt würde er seine Worte mit äußerstem Bedacht wählen. »Überaus zufrieden. Habt Dank, mein Fürst. Dieses Geschäft mit Euch war wie jedes vorige ein Gewinn für mich. Ich hoffe doch sehr, dass Ihr das ebenso seht.« Johannes vom Berge log, ohne eine Miene zu verziehen. Er wusste natürlich, dass er viel zu viel für die Mühlen bezahlt hatte, aber das war für ihn nicht von Belang gewesen. Ohne einen eigenen Brakteat zu zahlen, hatte er mit ihrem Erwerb seine Besitztümer vergrößern können und
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