Tochter des Ratsherrn
Nichts könnte schöner für mich sein, als Euch mit meinen Liedern zu erfreuen.«
Margarete lächelte, obwohl sie das eigentlich gar nicht wollte. Diese allzu blumige Umschreibung wählte er nur, weil sie sich in Gesellschaft befand, und dennoch genoss die Gräfin seine Worte. Sie neigte noch einmal den Kopf und ließ sich dann von ihrer Schwägerin von dannen führen.
Walther war nicht betrübt, weil sein Spiel heute nicht mehr gefordert wurde. Er hatte natürlich schon geahnt, dass Adolf V. einen eigenen Spielmann auf der Burg beherbergte. Insgeheim war er sogar dankbar dafür, denn nach dem stundenlangen Lautenspiel fühlten sich seine Hände fast taub an. Dennoch freute er sich bereits jetzt darauf, der Gräfin morgen erneut Gesellschaft zu leisten. Zum einen mochte er Margarete aufrichtig, und zum anderen war es weitaus angenehmer, in einem Pferdewagen zu reisen, denn zu Fuß zu gehen. Als alle Grafen, Ritter und Damen in die Halle verschwunden waren, um sich an den dort aufgetischten Speisen gütlich zu tun, ging Walther zu den anderen Gefolgsleuten, die mit den Räumlichkeiten des Burggesindes vorliebnehmen mussten.
Es wurde eine kurze Nacht. Schon früh am nächsten Morgen zogen sie alle gemeinsam weiter in Richtung Hamburg, wo die beiden Grafen in Kürze an der jährlichen St.-Veitsmarkts-Versammlung auf dem Kunzenhof teilzunehmen wünschten.
Die Weiterreise verlief wie am Vortag. Das Wetter war ähnlich feucht, die Wege ähnlich matschig. Erst kurz bevor die einsetzende Dämmerung das letzte Tageslicht verdrängte, erreichten sie ein großzügiges Gehöft an der Bille, welches Adolf V. gehörte. Der Weg dorthin hatte sie an den Stadtmauern Hamburgs vorbeigeführt, welche sie aber mit Absicht hinter sich gelassen hatten. Natürlich wäre es für die Grafen weitaus behaglicher gewesen, in der Stadt zu nächtigen, doch ihr Handeln hatte schlichte Gründe: Sie waren eitel!
Kein Graf wollte wie ein Bittsteller vor den verschlossenen Stadttoren stehen und den Nachtwächter bitten, ihm zu öffnen, zumal des Nachts kaum ein Hamburger Bürger an der Straße gestanden hätte, um ihn laut jubelnd zu begrüßen. Ein solch schmählicher Auftritt konnte leicht verhindert werden, wenn man kurz vor den Toren nächtigte, um dann in der Frühe gebührend Einzug zu halten.
Walther kamen die Stunden bis zum Morgen schier unendlich vor. Der Gedanke, sich so nah bei Runa zu wissen und doch nicht zu ihr zu können, hielt ihn die ganze Nacht hindurch wach. Als der Wagen der Gräfin im Morgengrauen endlich durch das Steintor fuhr, bemerkte selbst diese seine Anspannung.
Walthers besorgter Blick und sein fehlerhaftes Lautenspiel waren ihr Grund genug für ein paar ermutigende Worte. »Ihr könnt nun aufhören zu spielen und Euch für das, was vor Euch liegt, wappnen.«
Erstaunt nahm Walther die Finger von den Saiten; schließlich galt sein Spiel ja nicht nur dem Vergnügen, sondern auch der Schicklichkeit. »Seid Ihr sicher?«
»Ja, lasst es gut sein. Gleich erreichen wir den Kunzenhof, und ich habe Euch vorher noch etwas mitzuteilen.«
Walther legte sein Instrument beiseite und horchte gespannt.
»Ich kann Euch leider nichts versprechen, denn mein Einfluss auf die Herren ist als Frau nur begrenzt. Doch seid gewiss, dass ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, um Euch zu helfen.«
»Das ist mehr, als ich je erwartet habe, Gräfin«, sagte Walther ehrlich und legte seine Rechte aufs Herz. »Ihr wart immer überaus freundlich zu mir. Das Wissen darum, dass es nichts gibt, womit ich das vergelten kann, ist mir eine Qual.«
»Sprecht nicht vorschnell. Es gibt etwas«, ließ Margarete ihn wissen.
»Dann sagt es mir, und ich werde es tun.«
Der Wagen rumpelte schon die Altstädter Fuhlentwiete hinab, welche den gräflichen Kunzenhof in der Mitte durchschnitt. Margarete wusste, dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb, um den Wunsch zu äußern, welchen sie auf dem Herzen hatte. Nach dieser Reise würde es vielleicht keine Gelegenheit mehr geben, mit Walther allein zu sprechen. Darum gab sie sich einen Ruck und sagte: »Ich möchte Euch um etwas bitten, was Euch vielleicht im ersten Moment unmöglich erscheint, doch ich habe meine Gründe.« Margarete schaute ein letztes Mal hinaus. Vor ihrem Fenster erschien nun der prächtige Bau des Kunzenhofs. Die Dienerschaft stand schon parat, die ersten Männer stiegen bereits von ihren Pferden. Schnell und bevor sie es sich anders überlegte, sprach Margarete aus, was sie allein
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