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Tochter des Ratsherrn

Tochter des Ratsherrn

Titel: Tochter des Ratsherrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Tan
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können.«
    Auch Johann II. lachte nun. »Da muss ich Euch recht geben. Nun gut, ich werde nach ihm schicken lassen. Habt eine angenehme Reise.«
    Nur wenige Augenblicke später klopfte es an den Wagenschlag.
    »Kommt herein, Spielmann.« Aus Walthers Blick sprach so große Erleichterung, dass die Gräfin aussprach, was sie dachte: »Habt Ihr tatsächlich angenommen, ich würde mein Versprechen nicht halten? Ich pflege stets zu meinem Wort zu stehen.«
    Walther war es peinlich, dass sie ihn durchschaut hatte, doch die Last, die von ihm abgefallen war, als man ihn zum gräflichen Gefährt rief, war einfach zu groß gewesen. Schon seit dem Morgen hatte er an einem der Fenster gestanden und auf den Burghof gestarrt. Seine Hoffnung, tatsächlich noch nach Hamburg reisen zu können, war mit jedem Moment, den man ihn nicht hinzugebeten hatte, geschwunden. Doch jetzt saß er hier, in dem behaglichen Pferdewagen der Gräfin, und war auf dem Weg zu Runa. Endlich!
    »Spielt mir etwas auf der Laute«, forderte ihn die Gräfin auf.
    »Möchtet Ihr, dass ich dazu singe?«
    »Nein, Ihr wisst, was ich wünsche. Jetzt, da ich mein Versprechen gehalten habe, solltet Ihr das Eure einlösen. Erzählt mir von Eurer Frau. Aber sprecht leise, sodass nur ich Euch hören kann.«
    Walther wunderte sich nicht über den Wunsch Margaretes. Er verstand sofort, dass dies die einzige Möglichkeit für sie war, ungestört mit ihm zu reden und ihn gleichzeitig nach Hamburg zu bringen. Was für eine kluge Frau!
    Seine Finger begannen eine Melodie zu spielen, die er so gut kannte, dass er sie wohl auch im Schlaf hätte spielen können. Die ganze Nacht über hatte er überlegt, was genau er der Gräfin erzählen wollte und was nicht. Am Morgen dann war er sich sicher gewesen. Walther hätte nur zu gern ausgespart, dass sein Weib nicht als Jungfrau in die Ehe gegangen war und natürlich auch dass er Thymmo nicht sein eigen Fleisch und Blut nennen konnte, doch leider stellten ebendiese Tatsachen den Kern seiner Geschichte dar: Weil Runa seit jeher einen anderen Mann liebte und dieser Liebe nicht entsagen konnte, war er aus Hamburg geflohen.
    Zögernd zunächst, dann immer flüssiger und mit fester Stimme fing er an zu erzählen – von Anfang bis Ende. Einzig den Namen eines Mannes ließ er unerwähnt – den von Johann Schinkel. Die Verbindung zu dem Hamburger Ratsnotar war für alle Beteiligten einfach zu prekär, außerdem klang die Geschichte einer Liebschaft zwischen einer ehemaligen Begine und einem Domherrn schlichtweg so unglaublich, dass Walther Gefahr laufen würde, von der Gräfin als Lügner bezeichnet zu werden. Sein Vorhaben war auch so schon riskant genug, denn Margarete missbilligte jedes unchristliche Tun aufs Schärfste.
    Als er endlich verstummte, waren die Klänge der Musik eine Weile das Einzige, was im Inneren des Wagens ertönte. Versonnen schaute Walther auf seine Finger, die wie von selbst an den Saiten seiner Laute zupften. Die blonden Haare fielen ihm tief in die Stirn, seine Augen hielt er geschlossen. Wie immer, wenn er sich ganz in der Musik verlor, wiegte er den Körper im Gleichklang mit der Musik leicht hin und her.
    Margarete schaute dem Spielmann zu. Sie hatte zwar mit einer tragischen Liebesgeschichte gerechnet, doch Walthers Worte gingen ihr sehr zu Herzen. Sie konnte beide gut verstehen – Runa genau wie Walther. Frauen konnten ihren wahren Gefühlen so gut wie niemals folgen und mussten stets tun, was die Männer um sie herum von ihnen verlangten. Wer konnte es den wenigen Mutigen unter ihnen da verdenken, dass sie sich von der Liebe übermannen ließen und etwas wagten? Insgeheim hegte Margarete sogar Bewunderung für jene Frauen – auch wenn das Verhalten dieser Runa unzüchtig und somit unchristlich war. Doch der Spielmann verdiente ebenfalls ihre Anerkennung. Er hatte seine Frau mit der Hochzeit vor dem sicheren Tod gerettet und dem unehelichen Kind in ihrem Leib ein Heim gegeben. Dass seine Nächstenliebe und Geduld seiner Frau gegenüber jedoch nicht grenzenlos waren, konnte Margarete gut nachvollziehen. Es war kein Wunder, dass er sie schließlich verlassen hatte. Margaretes Aufforderung, nach Kiel zu kommen, war in der Tat eine willkommene Gelegenheit gewesen, dem leidvollen Leben den Rücken zu kehren.
    Umso mehr ergriff sie jetzt die Rückkehr des schönen Spielmannes. Wie unendlich groß musste seine Liebe zu der vermeintlichen Hexe sein, wenn er sich ungeachtet aller Schmach aufmachte, sie zu retten!

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