Tochter des Ratsherrn
zusätzlich den Zorn des Grafen auf Albert von Holdenstede geschürt, indem er ihn glauben gemacht hatte, der Nuncius des Kaufmanns wäre mit dem gräflichen Anteil seines Holzhandels auf und davon gegangen.
Der Graf nickte kaum erkennbar und sagte lächelnd: »Gewiss doch. Die Geschäfte mit Euch sind mir ebenso dienlich gewesen. Aber nicht nur Eure Münzen waren für mich lohnend, ebenso sehr war es Euer Hinweis auf den Verrat des Kaufmanns Albert von Holdenstede.«
»Es war mir eine Freude, Euch damit behilflich zu sein, mein Fürst, doch ich bin mir sicher, dass Eure Gefolgsleute das auch ohne mich aufgedeckt hätten. Ich verdiene kein Lob für die Erfüllung meiner Pflicht«, säuselte Johannes so süß, dass es ihn fast selbst ekelte.
»Eure Bescheidenheit ehrt Euch zwar, vom Berge, doch tatsächlich wurde der Verräter nur aufgrund Eurer Aussage ins Einlager gebracht, und nur dadurch ist mir jetzt zum Tausch gegen seine Freiheit sein Haus in der Reichenstraße zugefallen. Ihr habt also allen Grund, meinen Dank anzunehmen. Doch nun entschuldigt mich bitte, werte Herren.« Gerhard II. wandte sich nach rechts, wo er seinen Ritter vermutete, und bedeutete Marquardus wieder einmal, näher zu treten. »Diese Hitze ist ja kaum auszuhalten. Bringt mich sofort zu meinem Sessel, und reicht mir etwas Kühles zu trinken, bevor ich hier umkippe wie ein Novize bei der Laudes.«
Der Ritter konnte sich nur schwer ein Grinsen verkneifen, hatte der Graf mit einem kleinen, dünnen Novizen, der vor Hunger und Schlafmangel beim Morgengebet ohnmächtig wurde, so gar nichts gemein. Doch er tat umgehend, worum sein Herr ihn bat.
Johannes sah, wie der Graf mit dem Ritter von dannen schritt, und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Diese Unterhaltung hatte ihn wohl ein Jahr seines Lebens gekostet, so sehr hatte sie ihn angestrengt. Dem dringenden Wunsch folgend, sich zurückziehen zu können, um seine Gedanken zu ordnen, drehte er sich um und lief geradewegs in die Arme seines Weibes. Bevor er auch nur ein Wort sagen konnte, fasste Heseke auch schon im Flüsterton zusammen, wofür er selbst sicher noch einige Augenblicke gebraucht hätte.
»Albert ist aus dem Einlager entlassen worden? Warum wusstest du nichts davon? Nun ist es sicher nur noch eine Frage der Zeit, bis er wieder in Hamburg auftaucht. Du musst sofort …«
»Still, Weib. Kannst du dich nicht ein einziges Mal zurückhalten?«, flüsterte Johannes aufgebracht. »Dies ist nun wirklich nicht der richtige Ort für solche Gespräche. Außerdem hast du keinen Grund, dich zu grämen. Albert kann uns nicht mehr gefährlich werden. Seine Sippe ist zerschlagen, sein Geld verloren und sein Haus an den Grafen vergeben. Er ist schon so gut wie tot.«
»Dominus«, rief Gerhard II. plötzlich über die Schulter zurück. »Setzt Euch heute zu mir. Und bringt auch den Geistlichen mit.«
»Mit dem größten Vergnügen, mein Fürst«, log Johannes und folgte dem Blinden unwillig, um den Sessel neben ihm zu besetzen. Auch wenn es eigentlich eine Ehre war, um die ihn sicher viele Männer im Saal beneideten, kam Johannes dem Angebot nur äußerst ungern nach. Schließlich hatte ihn die eben geführte Unterhaltung zu äußerster Vorsicht gemahnt.
Die Grafenbrüder Adolf VI. und Heinrich I. nahmen nun ebenfalls Platz, genau wie Johann Schinkel und Willekin Aios. Es hatte sich herumgesprochen, dass die noch fehlenden Grafen soeben auf dem Kunzenhof eingetroffen waren. Die Versammlung würde in wenigen Minuten beginnen.
Gerade als die hohen Herren ihre Sessel eingenommen hatten, ging auch schon ein Raunen durch die Menge, die sich unvermittelt teilte und eine Gasse freigab. Die Spieler hoben die lang gestreckten Trompeten in die Höhe, sodass sich die Banner, auf denen das Schauenburger Wappen zu sehen war, an ihren Hälsen entrollten. Laut ertönten die Fanfaren.
Ein Diener trat vor und verkündete, was alle längst wussten: »Der Graf Johann II. von Holstein-Kiel mit seiner Gemahlin Margarete von Dänemark und Graf Adolf V. von Holstein-Segeberg.«
Mit hocherhobenen Häuptern schritten die Adeligen durch die freigegebene Gasse. Ein jeder, den sie passierten, verbeugte sich tief und erhob sich erst dann wieder, nachdem auch das letzte Stück Tuch von Margaretes überlangem Kleid an ihnen vorbeigeschleift war.
Ungefähr zwei Mannslängen vor den Füßen des blinden Grafen blieben sie stehen. Niemand sagte ein Wort. Das Schweigen dehnte sich weiter und weiter, bis es nach einiger
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