Tochter des Ratsherrn
Herrn aussuchen können, der nicht gerade der Erzfeind des meinen ist?«
»Albert, hör auf damit. Du verstehst nichts. Ich wollte niem…«
In diesem Moment flog die Tür auf. Die beiden Männer hielten abrupt inne und blickten auf die verwahrlost aussehende Gestalt, die nun die Diele betrat. Zunächst wollten Albert und Walther ihren Augen nicht trauen, doch dann stürmte Albert vor und schloss den Neuankömmling voller Inbrunst in die Arme. Die Erleichterung war ihm deutlich anzuhören, als er rief: »Mein Sohn! Dem Himmel sei Dank!« Erst nachdem er ihn scheinbar ewig ans Herz gedrückt hatte, gab er ihn wieder frei und fragte: »Herrgott, wo bist du nur gewesen, Godeke?«
In Godekes Gesicht spiegelten sich Trauer und Erschöpfung wider. Noch deutlich waren darin Spuren eines Kampfes auszumachen. »Vater …!« Er wusste, dass er nun von Thiderich berichten musste, doch die Worte fielen ihm unendlich schwer. In diesem Augenblick fiel sein Blick auf Walther. »Du …?« Vorwurfsvoll fragte er: »Warum warst du nicht am Pferdewagen, mit dem wir die Frauen am Tage des Kranfestes nach Eppendorf bringen wollten?«
Ohne Walther zu Wort kommen zu lassen, erwiderte Albert an seiner statt: »Diese Frage kann ich dir auch beantworten. Unser Freund hier hat sich just an diesem Tage nach Kiel aufgemacht, um fortan am Hofe Graf Johanns II. als Spielmann zu dienen. Er hat also nicht nur seine Familie im Stich gelassen, sondern sich auch noch dem ärgsten Feind Graf Gerhards II. verpflichtet und uns damit aufs Schändlichste hintergangen.«
Walther schüttelte den Kopf und hob abwehrend die Hände. Er hatte gewusst, dass es schwierig werden würde, sein Verhalten vor seinen Freunden zu rechtfertigen, vor allem da sein Ziehvater seinen Brief an Godeke abgefangen hatte und dieser noch gar nichts von dem Schreiben wusste. »Hört mir zu«, versuchte er daher zu beschwichtigen, »es ist alles etwas anders, als es aussieht. Lasst mich euch erklären, was geschehen ist.« Doch seine Worte bewirkten nur, dass die Situation vollends außer Kontrolle geriet.
»Was hast du getan?«, stieß Godeke feindselig hervor, dessen Fassungslosigkeit über den Verrat seines Freundes unversehens in blanken Hass umschlug. Ehe Walther sich’s versah, stürzte er sich auf ihn und verpasste ihm eine Reihe von Fausthieben.
Albert war genauso überrascht über Godekes Angriff wie Walther. Dieser hatte bereits einige kräftige Schläge einstecken müssen, als es dem Vater endlich gelang, seinen um sich schlagenden Sohn von seinem einstigen Nuncius fortzuzerren. »Godeke, hör sofort auf! Komm zu dir!«, donnerte Albert in der Hoffnung, ihn zur Vernunft zu bringen.
Doch Godeke war außer sich. »Du Bastard! Du Hundsfott! Aufhängen müsste man dich, du Verräter!«
Walther wollte nun seinerseits auf Godeke losgehen, doch Albert war schneller. Flink stellte er sich zwischen die Männer und packte sie beide am Kragen. Nur mit aller Macht gelang es ihm, sie auseinanderzuhalten, was sie allerdings nicht davon abhielt, sich weiter zu beschimpfen.
»Du wagst es, mich einen Verräter zu nennen? Gerade du?«, schrie Walther mit hochrotem Gesicht. »Als du vor sieben Jahren bei uns angekrochen kamst, hast du doch einfach nur in den Holzhandel einsteigen müssen, den Albert, Thiderich und ich bereits aufgebaut hatten. Hätte man Conrad nicht gehenkt und Luburgis nicht vertrieben, wärst du vermutlich nie mehr zurückgekehrt und hättest weiterhin mit diesen Verrätern gemeinsame Sache gemacht.«
»Nimm das sofort zurück, du friesischer Bastard!«, brüllte Godeke aus voller Kehle. »Wer bist du schon, dass du es wagst, mir so etwas zu sagen? Es war mein Vater, der dich von einem Nichts zu einem Nuncius gemacht hat! Zeige gefälligst mehr Dankbarkeit, du Großmaul!«
»Mehr Dankbarkeit? Dass ich nicht lache! Ich scheiße auf die Stellung als Nuncius! Thiderich, du und Albert werdet immer vermögender und einflussreicher, während ich nichts weiter bleibe als ein einfacher Schreiberling! Aber damit ist jetzt Schluss! Ich werde nie wieder ein Kaufmannsbuch für euch drei führen! Nie wieder!«
Nach diesen Worten riss sich der wutschnaubende Godeke aus dem Griff seines Vaters los und stieß Walther am Kragen gepackt mit dem Rücken gegen eine Wand. »Wag es ja nicht noch einmal, Thiderichs Namen in dein dreckiges Maul zu nehmen. Während du selbstsüchtiger Bastard am Hofe in Kiel von Freundschaft, Liebe und Ritterlichkeit gesungen hast, ist unser Freund
Weitere Kostenlose Bücher