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Tochter des Ratsherrn

Tochter des Ratsherrn

Titel: Tochter des Ratsherrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Tan
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sollte ich das tun?«, hatte Albert gefragt. »Nennt mir auch nur einen vernünftigen Grund dafür!«
    »Ganz einfach«, hatte Ribe erwidert. »Weil Ihr noch immer ein Mann ohne jede Ehre seid – ein entmachteter Ratsherr. Was könnt Ihr alleine schon ausrichten? Niemand wird Euch anhören. Eure Familie ist zerstreut, gefangen genommen oder verschollen. Ich hingegen könnte Euch von großem Nutzen sein, aber nicht jetzt sofort. Wir sollten warten, bis sich die Schauenburger im Kunzenhof eingefunden haben.«
    Albert hatte einen Augenblick verständnislos gezögert, dann war er tatsächlich der eindringlichen Bitte des Ritters gefolgt und mit ihm in die Burg zurückgekehrt, wo er sich anhörte, was dieser ihm vorzuschlagen hatte.
    Nun, am Tage der St.-Veitsmarkts-Versammlung, befanden sich die beiden Männer endlich auf dem Weg nach Hamburg.
    Als sie durch das Steintor ritten, sprach Eccard die ersten Worte seit Stunden. »Es ist so weit. Hier trennen sich unsere Wege.« Kurz darauf hielt er sein Pferd neben dem Kunzenhof an und saß ab. »Wir sehen uns später. Verhaltet Euch ruhig und unauffällig, so wie wir es abgesprochen haben.«
    »Gewiss«, antwortete Albert, und bevor der Ritter im gräflichen Hof verschwand, fügte er hinzu: »Danke, mein Freund.«
    Eccard nickte und trat dann seinen Weg in den Kunzenhof an. Hierhin konnte Albert ihm nicht folgen, da ausgeschlossene Ratsherrn auf der St.-Veitsmarkts-Versammlung nicht willkommen waren. Albert ritt auf Alyss Richtung Süden, links vorbei am Dom. Dann bog er nach rechts in die Reichenstraße ein, um ein letztes Mal das Haus in Augenschein zu nehmen, das nun nicht länger das seine war. Schon von Weitem konnte er erkennen, dass zwei gräfliche Wachen neben dem Eingang standen – ein schmerzhafter Anblick. Kurz dachte er daran, wie er dieses Haus auf den Fundamenten seines abgebrannten Elternhauses errichtet hatte – nun war es den Händen der Familie entrissen worden. Diese Tatsache musste er annehmen. Ohne großes Aufsehen bei den Wachhabenden zu erregen, ritt Albert an ihnen vorbei bis zu den Brotschrangen. Er überquerte die Zollenbrücke und steuerte direkt auf Thiderichs Haus auf der Grimm-Insel zu. Dieses Haus war eines der wenigen Zufluchtsorte in Hamburg, die ihm noch geblieben waren. Zwar galt Thiderich selbst weiterhin als verschollen, doch Ava und Oda hielten sich seines Wissens noch immer hier auf. Albert betete, dass es den beiden Frauen gut ergangen war, denn sie waren die Letzten, die ihm laut des Briefs von Johann Schinkel in Hamburg geblieben waren.
    Ohne zu klopfen, öffnete er die Tür zum Hause seines Freundes und trat ein. Er kannte es so gut wie sein eigenes und bewegte sich darum auch vollkommen selbstverständlich. Ohne nachzudenken, legte er seinen Mantel ab und rief: »Ava, Oda, seid ihr da?«
    Albert vernahm Schritte hinter sich und drehte sich lächelnd um in der Gewissheit, eines der beiden vertrauten Frauengesichter vor sich zu sehen. Doch wer tatsächlich dort stand, war Walther. Einen Moment lang war Albert sprachlos.
    Walther ergriff als Erster das Wort. »Willkommen zurück, alter Freund«, begrüßte er ihn mit unsicherer Stimme.
    Albert überwand seine Verwunderung rasch. Er hatte nicht vor, es seinem Gegenüber leicht zu machen. Zwar hatte der Nuncius ihm durch seine kluge Verhandlung mit Gerhard II. die Freiheit geschenkt, doch sein Verrat wog weit schwerer. Abwägend musterte er Walther und fragte mit mühsam beherrschtem Zorn: »Bin ich das wirklich? Dein Freund? Handeln Freunde tatsächlich so wie du?« Unweigerlich kamen ihm die Zeilen des Ratsnotars in den Sinn, Walther weile auf der Burg Kiel im Dienste Johanns II. Albert hatte in diesem Moment so unbändige Wut verspürt, dass er fast froh gewesen war, seinen Schwiegersohn in jenem Moment nicht vor Augen zu haben.
    »Ich kann das alles erklären, Albert. Wenn du mich nur lässt.«
    Ohne auf Walthers Bitte einzugehen, fragte Albert: »Sag mir nur eines: Warum? Was war dir so zuwider, dass du es im Kreise deiner Freunde und deiner Familie nicht mehr ausgehalten hast?«
    »So einfach ist das nicht, Albert …«
    »Ach nein? Wie ist es dann? Ich sage dir, wie es für mich ist: Du bist in den Dienst des Grafen Johann II. getreten und bist Thiderich und mir damit in den Rücken gefallen. Oder ist dir etwa entgangen, dass wir seit dem Tage der Eiderneuerung dessen Bruder, Graf Gerhard II., verpflichtet sind? Hättest du als mein Nuncius dir nicht wenigstens einen neuen

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