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Tochter des Ratsherrn

Tochter des Ratsherrn

Titel: Tochter des Ratsherrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Tan
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getötet worden! Thiderich ist tot! Und dein eigenes Weib sitzt im Verlies! Sag noch einen Ton, und ich werde dir deine verdammte Zunge herausreißen, damit du nie wieder eine deiner verlogenen Minnen singen wirst!«
    Ein Ruck ging durch Albert. Getroffen von Godekes Worten wich er schwankend zurück und drehte den Männern den Rücken zu. Die Nachricht von Thiderichs Tod war zu viel für ihn. Seine Knie versagten ihm den Dienst, haltsuchend stützte er sich an einer Wand ab. Sein Blick fiel auf eine Truhe. Er taumelte darauf zu und ließ sich schwer niederfallen.
    Plötzlich wurde es still in der Diele. Bloß das Keuchen der beiden Widersacher war noch zu vernehmen. Godeke ließ die Arme sinken.
    Walther glitt an der Wand herunter und setzte sich, den Rücken noch immer an der Wand, auf den Boden. Schweigend wischte er sich mit der Hand das Blut von der aufgeplatzten Lippe.
    »Wie ist er gestorben?«, fragte Albert mit rauer Stimme.
    »Er wurde erdrosselt. Ich konnte ihm nicht helfen. Er starb gleich neben mir in dieser verdammten Hütte im Wald, in der er seit Wochen gefangen war.« Noch immer fassungslos strich er sich die Haare aus dem Gesicht und legte den Kopf in den Nacken. Er wollte hier nicht heulen wie ein Weib, doch die Tränen ließen sich nicht ganz unterdrücken. Seine Erinnerungen waren einfach noch zu lebendig.
    »Wo ist er jetzt?«, fragte Walther tonlos.
    »In der Katharinen-Kirche. Ich habe ihn dem Pfarrvikar übergeben, damit er ihn schnell bestattet. Er ist nicht mehr sehr …«, Godeke hielt inne und änderte seine Worte kurzfristig, um nichts Respektloses über seinen toten Freund zu sagen. »Man sollte ihn nicht mehr anschauen. Er ist schon seit einiger Zeit tot.«
    Gerade wollte Albert fragen, wer seinen Freund ermordet hatte, da ging abermals die Tür auf. Herein kamen Oda und Ava mit ihren beiden Kindern. Als die Frauen die Männer erblickten, stießen sie einen spitzen Schrei der Überraschung und der Freude aus, während sich die Kinder verstört an die Röcke ihrer Mutter klammerten.
    Oda fiel Godeke stürmisch um den Hals. Die sonst so sittsame Frau vergaß beim Anblick ihres vermissten Gemahls jede Zurückhaltung. »Du bist zurück! Du bist endlich zurück! Wo um Himmels willen bist du gewesen?«
    Godeke legte einen Arm um die schmale Taille seiner Frau und gab sich einen Moment ihrer ungestümen Begrüßung hin, dann jedoch schob er sie sanft beiseite und wendete sich Ava zu, die ihren Kindern soeben aufgetragen hatte, in die Kammer der Amme zu gehen.
    Mit großen Augen schaute sie Godeke an. Sie schien zu ahnen, was er ihr sagen wollte. »Wo ist Thiderich?«, fragte sie schließlich. Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern.
    »Es tut mir so leid, Ava.« Es waren keine weiteren Worte nötig, um ihr die schreckliche Nachricht vom Tod ihres Gemahls zu überbringen. Godeke übergab ihr seinen Ring und eine kleine Muschel, die ähnlich geschwungen wie ein Schneckenhaus war, jedoch länger und mit einem spitzen Ende. Thiderich hatte sie stets bei sich getragen, seitdem er sie vor zwanzig Jahren in Friesland aufgesammelt hatte. Ava wusste das – genau wie alle anderen Anwesenden. »Er ist in der Katharinen-Kirche. Ich werde die Totenwache übernehmen, wenn du es wünschst.«
    Die schöne Ava ließ den Ring in ihre hohle Handfläche fallen, starrte ihn einen Moment an und schloss dann die Augen. »Nein, das mache ich«, hauchte sie, bevor sie Thiderichs Ring mit den Fingern umschloss und ihre Lippen darauf presste. Unter ihren dichten Wimpern quollen Tränen hervor. Unfähig, nach den Umständen seines Todes zu fragen, stand sie einfach nur da und weinte.
    »Aber natürlich«, stimmte Godeke ihr mit sanfter Stimme zu. »Doch zuvor wäre es sicher ratsam, wenn Oda dich hinaufbegleiten würde. Du solltest der Amme Bescheid geben und dich etwas ausruhen, damit du die Nacht durchstehst.«
    In diesem Moment schluchzte Oda laut auf. »Nein, wir können jetzt nicht ruhen. Wen kümmert eine Nacht auf Knien in der Kälte, mein Liebster, wenn es für Runa keine Nacht mehr geben wird?«
    Walther fuhr herum und starrte Oda erschrocken an. »Was redest du da? Runa soll von Johann Schinkel verhört werden. Erst dann wird über ihre Schuld und ihr Schicksal entschieden.«
    »Ja, so sollte es eigentlich sein. Doch es hat eine Wende gegeben«, antwortete die Verzweifelte mit bebender Stimme. »Es wurde eine Bursprake einberufen, auf der Runa von den Hamburgern für schuldig befunden wurde. Das Urteil

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