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Tochter des Ratsherrn

Tochter des Ratsherrn

Titel: Tochter des Ratsherrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Tan
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mehr. »Walther«, begann sie flehentlich. »Bitte glaube mir. Ich wollte dir davon erzählen, doch …«
    »Darum geht es nicht!«, unterbrach dieser seine Frau barsch. »Du hattest kein Recht dazu, Godeke hinter meinem Rücken nach Sandstedt zu schicken. Wie stehe ich nun da? Als wäre ich ein Mann, dessen Frau sich einfach über ihn hinwegsetzen kann! Und von deinem Bruder bin ich ebenso enttäuscht. Wie kann er es wagen, mir so etwas zu verheimlichen?«
    Runa sank noch mehr in sich zusammen. Dann gestand sie: »Er weiß nicht, dass ich dir noch nicht davon erzählt habe.«
    Walther ließ Runas Arm los, den er bis eben umklammert hatte, und fuhr sich mit der linken Hand durch die Haare. »Noch eine Lüge also?«, entfuhr es ihm ungläubig. Dann fügte er in bissigem Tonfall hinzu: »Nun ja, der Priester in unserem Hause wird dir sicher gern die Beichte abnehmen.«
    Runa antwortete nicht darauf. Was hätte sie schon erwidern können?
    Walther empfand es nur als gerecht, dass seine sonst so eigensinnige Frau in diesem Moment einen sichtlich reumütigen Blick aufsetzte. Beide sahen sich in die Augen. Walther beruhigte sich etwas und fragte deutlich ruhiger: »Was hast du dir nur dabei gedacht?«
    »Ich weiß es nicht genau, Walther, doch auf keinen Fall habe ich vermutet, dass sich dein einstiger Vormund gleich auf den Weg hierher macht.«
    »Das hat er aber. Und nun sitzt er in meiner Stube.« Wieder zeigte Walther nach oben.
    »Glaube mir, mich erstaunt das nicht minder. Ich kann ja verstehen, dass du überrascht bist, aber ich hatte nichts Böses im Sinn. Seit Jahren schon schweigst du, wenn ich mich nach deinem früheren Leben in Friesland erkundige. Woher kommst du? Wer bist du? Warum redest du nie darüber? Ich bin deine Frau, Walther. Kannst du nicht verstehen, dass ich diese Dinge wissen möchte? Ich wollte dich damit nicht verärgern. Bitte verzeih, dass ich dich belogen habe. Das war sicher falsch. Aber du musst auch mich verstehen …«
    Selbst in seiner Wut über ihr eigenmächtiges Handeln konnte Walther erkennen, dass Runa die Wahrheit sprach. Es tat ihr leid. Diese Tatsache stimmte ihn etwas versöhnlicher. »Runa, es gibt nichts zu erzählen. Auch ich hatte Fragen, und die Antwort war stets dieselbe: Gott hat mich nach Sandstedt zu meinem Vormund geführt! Irgendwann habe ich mich damit zufriedengegeben – und das solltest du ab heute auch tun, Frau.«
    Runa hatte einen Kloß im Hals. Genau diese Worte hatte der Geistliche zu Godeke gesagt, als dieser ihn nach Walthers Herkunft gefragt hatte. Plötzlich verstand sie, dass ihn diese Sache schon seit langer Zeit quälte. Sie hatte sich grob verhalten, und das bereute sie, doch noch konnte sie ihren Wunsch, mehr über ihren Mann zu erfahren, nicht gänzlich auf sich beruhen lassen. Runa trat einen Schritt auf Walther zu, fasste ihn am Arm und fragte mit weicher Stimme: »Freust du dich denn gar nicht darüber, deinen einstigen Vormund wiederzusehen?«
    Die Gesichtszüge ihres Gemahls blieben verschlossen, doch er blickte nicht mehr wütend drein. Er schaffte es nie, sich ihrem Liebreiz zu entziehen; sie war so schön, und er liebte sie. Ohne auf ihre Frage zu antworten, schloss er sie in seine Arme.
    Eine ganze Weile standen sie so beieinander, bis sich Runa sanft aus seiner Umarmung befreite. Sie hatte sehr wohl bemerkt, dass er ihr eine Antwort schuldig geblieben war, doch das konnte warten. Sie fühlte sich unendlich erleichtert, nun, da ihr Geheimnis gelüftet war.
    »Richte unserem Gast eine Bettstatt her. Er wird nun bei uns wohnen«, waren Walthers etwas schwermütige Worte.
    Runa nickte folgsam. Sie hatte unzählige Fragen auf dem Herzen, doch die behielt sie vorerst für sich.
    Als Walther gerade im Begriff war zu gehen, wandte er sich noch einmal zu seiner Frau um und sagte: »Sein Name ist übrigens Everard.« Dann verließ er das Haus.

9
    Thiderich erwachte von seinen unsagbaren Kopfschmerzen. Als er die Augen öffnete, erblickte er das Innere einer schäbigen Hütte. Es roch nach einem Feuer, das zu seinem Leidwesen kurz zuvor erloschen war. Er fror. Langsam schaute er an sich herunter. Seine Stiefel fehlten. Dann fiel sein Blick auf eine Blutspur, die an seinem Wams klebte. Es war sein Blut.
    Mit jedem Augenblick kehrten schemenhafte Erinnerungen zurück. Er war auf dem Weg nach Plön gewesen. Und dann? Was war passiert? Ein Schlag auf den Kopf hatte ihn getroffen, und er war gefallen. Weiter reichten seine Erinnerungen nicht. Irgendwann

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