Tochter des Ratsherrn
einmal aus, um einen Knappen zu besiegen. Doch der Kaufmann beherrschte eine andere Waffe. Er war nicht dumm und erkannte schnell, dass ihm nur eine Möglichkeit blieb, die Ritter vielleicht doch noch in die Flucht zu schlagen. Er musste allein zurückbleiben! Johannes sammelte all seinen Mut und rief den Männern mit lauter Stimme zu: »Los, greift sie an – alle! Tötet sie! Ich befehle es Euch!«
Die Wachen zögerten kurz, doch sie waren es gewohnt, Befehle zu befolgen. Auch wenn ihr eigentlicher Auftrag lautete, Johannes vom Berge niemals alleine zu lassen, war jedem unter ihnen nur allzu klar, dass sie keine andere Wahl hatten. So gaben sie seinen Schutz um des Kampfes willen auf, traten ihren Pferden die Sporen in die Seiten und stürmten zum Flussufer, um ihren Kameraden beizustehen und damit gleichzeitig ihr eigenes Leben zu retten.
In diesem Moment wendete sich die Lage. Wo die Ritter eben noch deutlich die Oberhand innegehabt hatten, wurden sie nun von den Wachmännern zurück in den seichten Fluss gedrängt.
Johannes vom Berge wagte kaum zu atmen. Stumm flehte er alle Heiligen an, sein Leben zu schützen. Die Luft war erfüllt vom Geschrei der Männer, dem Wiehern der Gäule und dem unaufhörlichen Klirren der blitzenden Schwerter. Der Plan des Kaufmanns schien tatsächlich aufzugehen.
Die Ritter hatten bereits so viele der Wachen niedergestreckt, dass sich das Wasser rot verfärbte. Dennoch schienen ihre Gegner nicht weniger zu werden, und jetzt kamen plötzlich noch weitere herangaloppiert. Sie hatten sich verschätzt, der Kampf um die Kaufmannsbeute forderte all ihre angeschlagenen Kräfte. Die schützenden Rüstungen, welche zu Beginn des Kampfes ihr Vorteil gewesen waren, wurden immer mehr zu ihrem Schwachpunkt. Mit jedem ihrer Hiebe versiegte die Stärke der Gepanzerten zusehends. Das gestrige Saufgelage und die unerträgliche Hitze forderten ihren Tribut.
Die neu gewonnene Macht über ihre Feinde spornte die Wachen des Kaufmanns dagegen noch weiter an. Stark blutend, aber wild schreiend und um ihr Leben kämpfend nahmen sich nun zwei bis drei Wachmänner jeweils einen Ritter vor.
Normalerweise war es für Eccard Ribe kein Problem, es mit zwei Gegnern gleichzeitig aufzunehmen, doch heute war alles anders. Nur einen winzigen Augenblick lang hatte er den Überblick verloren. Vielleicht war es die Bewegung des Wassers unter ihm, die ihn irritierte, oder aber die eingeschränkte Sicht durch die nur fingerbreiten Sehschlitze seines Topfhelms. Doch was immer ihn abgelenkt hatte, er sollte es bereuen, nicht aufmerksamer gewesen zu sein. Plötzlich durchfuhr ein fürchterlicher Schmerz sein linkes Bein, der ihn augenblicklich aufschreien ließ. Einem seiner beiden Widersacher war es gelungen, ein Messer tief in den ledernen Teil seiner Kettenbeinlinge zu stoßen. Warm lief das Blut an seinem Schenkel herab und tropfte in den Fluss. Voller Wut über seinen eigenen Fehler und auf seinen Gegner streckte er diesen mit letzter Kraft nieder. Zu seinem großen Glück kam ihm in diesem Moment Giselbert von Revele zu Hilfe. Es gelang ihm, den zweiten Angreifer zu erstechen, dann gab er seinem Gefährten das Zeichen zum Rückzug. Als er sah, dass Eccard verwundet war und sich kaum mehr auf seinem Pferd halten konnte, griff er nach dessen Zügeln und galoppierte, das Ross seines Kumpanen im Schlepptau, von dannen.
Die Ritter gaben auf und traten die Flucht an. Sie hatten einsehen müssen, dass sie einen Fehler begangen hatten, der einem guten Kämpfer niemals unterlaufen durfte: Sie hatten ihren Gegner unterschätzt. Die Wachmänner waren in der Überzahl gewesen und ihre eigene Kraft an diesem Tage einfach zu gering.
Begleitet von den schmählichen Jubelrufen der überlebenden Wachleute ritten sie davon. Auch wenn die Ritter weit mehr Männer niedergestreckt hatten als ihre Gegner und Eccard Ribe der Einzige unter ihnen war, der eine ernsthafte Verletzung davongetragen hatte, waren sie doch eindeutig die Verlierer. Diese Lektion war bitter, denn eine Niederlage zu erleiden war das schlimmste Gefühl, das ein Ritter kannte.
Und so schwor sich Eccard Ribe insgeheim, sich eines Tages an dem reichen Pfeffersack zu rächen – egal, wer er war, egal, wie viele Jahre es dauern mochte!
Mit einem spärlichen Gefolge von nur neun Männern ritt der mächtige Johannes vom Berge auf dem Burghof des Grafen ein. Die Gruppe bot ein wahrhaft jämmerliches Bild: Ein jeder von ihnen war blutverschmiert und
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