Tochter des Ratsherrn
schwindelig. Aber wir sind ja gleich da.«
Kurz nachdem Kethe ihnen das Tor des Klosters geöffnet hatte, saßen sie zusammen im Schatten ihrer Kammer.
Die Schmerzen in Runas Bauch verschwanden, und sie konnte wieder durchatmen. »Herrlich kühl ist es hier drinnen, Kethe. Ich erinnere mich noch gut daran, wie bitterkalt der Winter in den Beginen-Kammern stets war, doch wie wunderbar erfrischend sie dafür im Sommer sind.«
»Du sagst es, liebe Freundin«, erwiderte Kethe lächelnd. »Doch der Herr hat uns nun mal beides geschenkt – die Kälte und die Wärme.« Nachdem die Frauen ein wenig geplaudert hatten, trug Runa ihr Anliegen vor.
Die Begine hörte aufmerksam zu und forderte die Gepeinigte dann in ihrer gewohnt fröhlichen Art auf, ihr die geröteten, juckenden Stellen zu zeigen. »Komm mal zu mir, Freyja, mein Sonnenschein. Wollen wir doch mal sehen, was dich des Nachts so quält.«
Sofort lief das Mädchen zu Kethe und zeigte ihr bereitwillig die ausgestreckten Arme.
Kethe nickte wissend. »Ich kenne diesen Ausschlag. Kürzlich habe ich bereits ein anderes Kind mit einem ähnlichen Leiden behandelt«, sagte sie zu Runa, nachdem sie die roten Flecken ausgiebig betrachtet hatte. Dann wandte sie sich wieder an Freyja. »Sag mal, spielst du gerne mit Hunden oder Katzen?«
Das Mädchen nickte eifrig.
»Soso, das habe ich mir doch gedacht. Ich denke, das musst du vorerst lassen, hast du mich verstanden?«
Freyjas Lächeln verschwand. »Ich darf nicht mehr mit Poppo spielen?«
»Eine Weile nicht mehr.« Nach diesen Worten strich sie dem Mädchen noch einmal übers Haar, dann sagte sie zu Runa: »Wenn ich mich recht erinnere, habe ich noch einen Rest der Salbe, die ich bei dem anderen Kind angewendet habe. Ich gehe mal nachschauen.« Einen Augenblick später trat die Begine wieder in die Kammer und streckte Runa lächelnd einen tönernen Tiegel entgegen. »Wusste ich’s doch.«
»Was ist das?«, fragte Runa interessiert.
»Das ist eine Salbe aus Bienenwachs, verschiedenen Ölen und Gänseblümchentee. Du musst sie einfach nur auf Freyjas wunde Stellen auftragen, dann sollte der Ausschlag schnell verschwunden sein.«
Mühsam erhob sich Runa von Kethes Bettstatt. »Ich danke dir, meine Liebe.« Mit einem Zwinkern fügte sie hinzu: »Vielleicht haben Walther und ich das Bett in der Nacht ja bald wieder für uns allein.«
Kethe lachte und deutete auf Runas runden Leib. » Davon scheint Freyja euch ja nicht abgehalten zu haben.«
Nach einer herzlichen Verabschiedung machten Runa, Johanna und Freyja sich wieder auf den Heimweg. Sie liefen die Steinstraße Richtung Westen hinauf und kamen so direkt auf den Berg zu.
Runa hatte sich bei Kethe etwas erholen können, doch der kleine Anstieg war äußerst mühsam für sie. Schnell stand ihr der Schweiß auf der Stirn. Der stechende Schmerz in ihrem Leib war wieder da, und er wurde mit jedem Schritt schlimmer. Auf Höhe der Fronerei japste Runa bereits hörbar nach Luft. »Johanna … ich muss mich kurz ausruhen«, sagte sie zu ihrer Magd und steuerte direkt auf den Ziehbrunnen zu, um in dessen Schatten neue Kräfte zu schöpfen. Genau wie auf dem Hinweg wollte sie Johannas Arm fordern, aber ihre Worte waren nicht mehr als ein kraftloses Flüstern. Der alte Marktplatz war voller Menschen. Runa versuchte, ihnen auszuweichen und mit der freien Hand ihren Bauch zu schützen, aber ihr Blick verengte sich zunehmend, und alle Geräusche klangen plötzlich weit entfernt. Sie hörte weder das Rufen ihrer Tochter, noch merkte sie, wie Johanna an ihrem Arm zerrte.
»Mutter, Mutter, ein Pferdewagen! Wir müssen zur Seite gehen, Mutter!«
Tatsächlich raste gerade jetzt ein großer Wagen mit zwei weißen Pferden davor von der Johannisstraße auf den freien Platz zu. Die Männer und Frauen auf dem Berg stoben auseinander und machten dem hohen Würdenträger Platz, der offensichtlich im Inneren saß.
Nur Runa konnte nicht mehr zur Seite springen. Völlig entkräftet brach sie auf der Straße zusammen.
Freyja begann zu schreien, als sie ihre Mutter zu Boden stürzen sah.
Blass lag Runa im trockenen Staub der Straße, den Blick gen Himmel gerichtet, die Hände schützend auf ihren Bauch gelegt. Sie hörte nichts außer dem Rauschen des Blutes in ihren Ohren. Genauso war es ihrer Mutter bei der Geburt der Zwillinge ergangen. Auch sie war auf der Straße zusammengebrochen und hatte nur wenige Stunden später ihre Söhne zur Welt gebracht. Doch bei Runa war es anders. Ihre
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