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Tochter des Windes - Roman

Tochter des Windes - Roman

Titel: Tochter des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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konnten. Schon liefen Dienerinnen, mit Bündeln beladen, über die Treppen. Die Frauen hatten ihre Gewänder geschürzt, um besser laufen und reiten zu können. Manche trugen kleine Kinder, die sich an ihren Hals klammerten. Chacha beachtete nicht das Chaos, das Seufzen, Schreien und Klagen. Sie begab sich in ihre Gemächer, nahm ein Bad, wusch ihr Haar und zog ihr weißes Totenhemd an. Darüber trug sie Männerkleider. Purpurne und lila Seidenstickereien verliehen ihrer mit Gold lackierten Galarüstung Farbe. Das Langschwert, das sie nach Kriegerart auf dem Rücken trug, ragte hoch über ihren schmalen Kopf. Wunderschön sah sie aus, gebieterisch. Als sie aus ihren Gemächern trat, waren nur noch die langjährigen treuen Dienstboten anwesend. Und auch noch die Krieger, die das ›Himmelsschloss‹ schützten, etwa hundert an der Zahl. Der Daimyo hatte diese Männer gut ausgewählt. Es waren kaltblütige Kämpfer, die nicht von ihrem Posten weichen würden. Chacha ließ ihren Hauptmann kommen. Dieser, ein stattlicher Mann, verneigte sich und kniete nieder, die rechte Hand am Boden. Ein Schimmer von Überraschung
trat auf sein Gesicht, als die Fürstin ihm für seine Treue dankte und ihm den Befehl erteilte, mit seinen Kriegern die Burg zu verlassen. Die Soldaten sollten ihre Familien versammeln und sich in Sicherheit bringen. Es war ein Befehl, der einer Beleidigung gleichkam, doch dem Hauptmann kam es nicht in den Sinn zu widersprechen. Er verneigte sich ehrerbietig und zog sich mit seinen Kriegern zurück. Als das Prasseln der Pferdehufe auf der hölzernen Rampe verklungen war, gab Chacha den Dienstboten Anweisungen. Die Burg sollte wie zum Empfang geehrter Gäste voll erleuchtet, die seltensten Schmuckgegenstände auf die Tokonomas gestellt und die kostbarsten Rollbilder aufgehängt werden. Die Diener taten, wie ihnen geheißen. Sie jammerten und weinten, während Chachas Augen trocken blieben. Als alles vorbereitet war, wurde Stroh aus den Stallungen geschleppt und in jedem Stockwerk angehäuft. Zuletzt ließ sich Chacha eine Fackel bringen. Sie schickte die Diener hinaus mit dem Befehl, sich davonzumachen, und zündete selbst das Feuer an, welches das ›Himmelsschloss‹ zerstören würde. Weil die große Vorhalle bis zur Kuppel offen war, entstand sofort ein gewaltiger Luftzug, der die Flammen hochschlagen ließ. Chacha aber ging unbeirrt von einer Zimmerflucht in die nächste, hielt die lodernde Fackel hoch und steckte das Stroh in Brand. Die wehklagenden Diener erzählten später, wie ihre dunkle Gestalt, riesenhaft vergrößert, sich im Flackerlicht durch alle Räume bewegte und ein Kunstwerk nach dem anderen den Flammen übergab. Das Feuer lief vorbei wie ein Blitz, verbreitete Wolken von Qualm. Eine Welt der Schönheit starb. Chacha jedoch wanderte in dieser sterbenden Welt, ihre Ziele waren stets neue leuchtende Punkte. Es war, als sei sie selbst an diesen leuchtenden Punkten befestigt wie an einer Gruppe von schwindenden Sternen. Und es gibt Zeugen, die gesehen haben wollen, wie sie ohne Hast
aus der brennenden Burg trat und nur ihre schwarze Katze in den Armen trug, ihr Langschwert auf dem Rücken, und sonst nichts. Noch war der Tag nicht angebrochen, aber die vielen Vögel im Wald sahen das rosa Lodern und erhoben ihre Stimmen, weil sie glaubten, die Morgenröte nahe. Und die in mächtiger Zahl anrückenden feindlichen Krieger sahen sich um ihre Beute betrogen, spornten ihre Reittiere zur höchsten Eile an, doch sie kamen zu spät. Der Brand wütete drei Tage und drei Nächte lang; von dem, was einst das Himmelsschloss gewesen war, eine der Prachtbauten dieser Erde, bestanden nur noch schwarz verkohlte Balken und Mauerreste; selbst das Gold war geschmolzen, hatte sich mit der Erde vermischt. Nichts blieb erhalten, außer Steinen, die im Lauf der Zeiten von Buschwerk überwuchert wurden.
    Es erwies sich, dass Nobunaga seinen Schützling Hideyoshi nicht umsonst begünstigt hatte. Der einstige Sandalenmacher ruhte nicht, bevor er die Verschwörer gestellt und den Daimyo gerächt hatte. Das legitimierte ihn, sich selbst zu Nobunagas Nachfolger zu ernennen. Er, der alle Pläne und Strategien seines Herrn im Kopf hatte, führte sein Heer durch alle Gefahren, setzte die Aufgabe der Vereinigung Japans fort. Bis 1590 eroberte er alle Provinzen, machte alle Fürsten zu

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