Tochter des Windes - Roman
Vasallen. Er scheiterte allerdings, als er sogar Korea und von dort aus China zu erobern versuchte. Nun ja, auch er hatte einen GröÃenwahn. Aber Japan befand sich durchweg in einem Gärungsprozess, und trotz seiner übertriebenen Selbsteinschätzung herrschte Hideyoshi während drei Jahrzehnten mit Umsicht und Geschick. Er hatte bei Nobunaga feine Sitten erlernt, für ihn war nichts schön oder kostbar genug. Und stets waren Maler, Dichter und Musiker sowie Künstler aller Art bei ihm willkommen. Die Teezeremonie, wie wir sie heute kennen, erhielt ihre Form unter Hideyoshis Teemeister Sen no Rukyu. Und weil alle Edlen und Vornehmen
ihn nachahmten und die Künstler schützten und gut bezahlten, erlebte Japan bis zu Hideyoshis Tod 1597 sein goldenes Zeitalter, eine unübertroffene Blütezeit. Aber das weià heutzutage jedes Schulkind.
Doch es bleibt noch eine andere Geschichte zu erzählen  â ein streng gehütetes Familiengeheimnis. Denn nach Nobunagas Tod sprach es sich schnell herum, dass Chacha eigenhändig das âºHimmelsschlossâ¹ vernichtet und die Sieger um eine beispiellose Beute gebracht hatte. Das brachte sie in groÃe Gefahr, und sie suchte Hilfe bei Hideyoshi. Dieser gewährte ihr umso bereitwilliger Schutz, da er sie schon lange begehrte. Seine eigene Frau, Nene, die er in jungen Jahren geheiratet hatte, entsprach nicht seinem Rang und war zudem unfruchtbar. Er bat Chacha, seine Nebenfrau zu werden. Sie willigte ein und gebar ihm zwei Söhne, Tsurumatsu und Hideyori. Später, nach Nenes Tod, bekleidete sie deren Stellung. Einige Jahre lang widmete sie sich der Erziehung ihrer Söhne, bis diese gröÃer wurden und solcher Lehrer bedurften, die sie für ihren künftigen Stand als Krieger erzogen. Die schrecklichen Ereignisse ihrer Jugend hatten Chachas Kräfte geschwächt. Der Freuden und Leiden war sie müde, selbst für die Liebe hatte sie kaum noch etwas übrig. Sie bat Hideyoshi um die Erlaubnis, sich in ein buddhistisches Kloster zurückzuziehen, um als stolze und mutige Erinnerung stets bei ihm zu bleiben. Hideyoshi bedauerte sehr, dass sie ihn verlieÃ, erfüllte ihr jedoch diesen Wunsch. Im Kloster nahm Chacha ihren ursprünglichen Namen wieder an, wurde aber aufgrund ihrer Herkunft meist Dame Azai genannt. Sie widmete sich dem Studium der groÃen Bücher der Weisheit, lieà sich in den Reichtümern einer Geheimlehre unterweisen, die auf uralte Ãberlieferungen zurückging, eine Erkenntnis, die den Geist entfaltete und im Menschen ungeahnte Kräfte freisetzte. Und, ja, wieder vergingen viele Jahre â¦
Inzwischen wuchs Chachas erster Sohn, Isaemon, in der Familie seines Vaters zu einem kräftigen und klugen jungen Mann heran. Im geeigneten Alter erzählte ihm Mataemon, wer seine Mutter war, und übergab ihm deren eigenes Schwert mit dem Familienwappen, das ihn zum Fürsten machte. Doch Isaemon, ein begnadeter Handwerker von unfehlbarer Geschicklichkeit, lag wenig an seiner adligen Herkunft. Er wollte Baumeister werden, wie sein Vater. Er weigerte sich lange, seiner leiblichen Mutter zu begegnen. Die Fürstin entstammte der mächtigen Kriegerdynastie der Azai und war Hideyoshis Gemahlin. Isaemon befürchtete, sie würde keinen Gefallen an seiner Berufung finden und von ihm fordern, dass er in die Dienste des Herrschers trat. Indessen, Mataemon verlangte nichts von ihm, das seinem Herzen widersprochen hätte. Erst als die Fürstin ihrer Privilegien entsagt hatte und als Nonne lebte, wagte Isaemon, ihr im Kloster einen Besuch abzustatten. Diesem ersten Besuch folgten viele andere. Und es ist bekannt, dass die Beziehung zwischen Mutter und Sohn sehr innig und vertraut wurde. Isaemon heiratete die Tochter einer Priesterin, bekannte sich definitiv zum Koga-Clan und begründete eine neue Baumeisterdynastie. Man weiÃ, dass er an dem Bau verschiedener Heiligtümer beteiligt war und sogar seinen Vater an Berühmtheit übertraf. Doch sein Schwert machte Isaemon zum Samurai, auch wenn er seine Privilegien nicht beanspruchte und seinen Pflichten nicht nachkam. Und die Ãberlieferung erzählt, dass Dame Azai, ihrem Ende nahe, ihren Sohn ein letztes Mal kommen lieÃ. In den langen Jahren ihrer Abgeschiedenheit hatte sie ihr Wissen vertieft und war in den Besitz vieler Geheimnisse gekommen. Und sie sagte zu Isaemon: âºIch bin mit den Dingen hier fertig, doch Leben und
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