Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tochter des Windes - Roman

Tochter des Windes - Roman

Titel: Tochter des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
Die Tante dehnte empört die Worte. Ich dachte, gleich kriegt sie einen Anfall, und schrumpfte zusammen.
    Â»Ja, gomennasai  … ich dachte nur …«
    Â»Sie sind wirklich schlecht darin, die Dinge zu interpretieren. Was wollen Sie jetzt noch Dummes fragen?«
    Zum Glück kam mir Mia zu Hilfe.
    Â»Wer hat jetzt den Bauplan, Tante Azai? Jan Letzels Familie? Dann müsste ich ja wieder nach Prag und den Leuten klarmachen, dass die Schriftrolle ein Familienerbstück ist …«
    Â» Iie  – nein!«, sagte die alte Dame. Sie knurrte und fuhr fort: »Letzel gab sie meinem Vater, bevor er Japan verließ. Es war fraglich, ob er jemals zurückkommen würde. Und er wusste ja, dass das Dokument uns gehörte.«

    Ich fragte vorsichtig: »Jan Letzel … kannte er diese Geschichte ?
    Â»Meine Mutter hatte ihm erzählt, was sie von mir erfahren hatte.«
    Â»Ach so«, sagte ich. »Und wie dachte Letzel darüber?«
    Sie sah mich erbost an.
    Â»Er tat sich schwer, obwohl er ein kluger Mann war. Ausländer haben ein Problem mit Träumen.«
    Â»Träume sind Schäume«, sagte ich, ungläubig und aus der Fassung geraten.
    Sie parierte wie mit einem Samurai-Schwert.
    Â»Im Ernst, glauben Sie das wirklich? Dann sind Sie aber schlecht dran!«
    Ich krebste kleinlaut zurück, mit der stupiden Bemerkung: »Ich weiß eben nicht, was ich glauben soll.«
    Â»Ob es Ihnen passt oder nicht: Ihnen wurde eine Rolle zugeteilt.«
    Das hatte ich inzwischen auch kapiert. Allerdings fühlte ich mich wie der falsche Darsteller in einem Kabuki-Drama. Eine Fehlbesetzung, sozusagen. Ein Clown. Wieso sollte mir eine Samurai-Lady aus dem sechzehnten Jahrhundert im Traum erscheinen und mir mit einer Schriftrolle unter der Nase herumfuchteln? Ich hatte auch nichts mit Missionaren am Hut, die, statt artig Gottes Wort zu verkünden, mit Schusswaffen handelten, pfui doch, aber so war es halt eben gewesen. Kurzum, ich hatte nichts, aber auch gar nichts mit dieser Story zu tun. Auch wenn mein hiesiger Wohnsitz offenbar wildbewegte Zeiten gekannt hatte.
    Ich sagte zu Mia: »Nein. Meine Vorfahren waren keine Fürsten, keine Baumeister und zum Glück auch keine Missionare. Sie waren nicht einmal Japaner, sondern Beamte aus Nordrhein-Westfalen, die sich später im Raum Hamburg etablierten.«

    Mias Frage klang perplex.
    Â»Du meinst, dass das absolut nicht stimmen kann?«
    Â»Das ist doch klar und unumstößlich«, sagte ich.
    Â»Knurr!«
    Tante Azai reckte den Hals und blickte verärgert auf so viel Borniertheit.
    Â»Sie wundern sich natürlich, das ist Ihr gutes Recht, aber versuchen Sie zu verstehen. Chacha  – ich nenne sie Yododono, das ist respektvoller  – hat schon gemerkt, dass Sie sehr intelligent sind, viel kultivierter, als ich erwartet hatte. Gomennasai, das ist sehr direkt, aber ich bin aus dem Alter heraus, in dem man um die Dinge herumreden sollte. Was ich jetzt nicht sage, sage ich später nie mehr. Also, Mia hat ja nur Stress im Kopf, eine Kreativhemmung, das weiß sie ganz genau. Und Isaos Partner ist nett, schnupft aber Koks. Das ist nicht gut. Isao ist clean, aber psychisch nicht in Ordnung. Er macht sich Sorgen. Wenn er Masahiro nicht schleunigst in die Klinik schleppt, diagnostiziere ich für beide eine bald entstehende Depression.«
    Â»Vielleicht meint ja Isao …«
    Â»Nein. Isao sollte sich besser um Masahiro kümmern. Aber er hat irgendwie Scheuklappen. Yodo-dono weiß, dass sie im Augenblick nichts bei ihm ausrichten kann. Sie hat nichts gegen Masahiro selbst, in ihrer Zeit war das alles auch erlaubt, solange man es nicht an die große Glocke hängte. Rote Unterhosen? Dazu muss man effizient sein. Aber Masahiro braucht Hilfe, und neuerdings ist Isao beduselt. Man muss ihn wachrütteln.«
    Mir fiel fast die Kinnlade herunter. Nie wäre mir in den Sinn gekommen, dass eine Frau, die hundertacht war, ihre Sache so unverblümt darstellen konnte. Und ich hatte das unbestimmte, fast metaphysische Gefühl, dass diese verrückte Sache ein Körnchen von Wahrheit enthielt.

    Mia saß mit ihrer Schale da, ihre Hand zitterte leicht. Sie wirkte wie vor den Kopf gestoßen. Schließlich begann etwas in ihr zu denken. Sie schluckte krampfhaft und total eingeschüchtert.
    Â»Habe ich richtig verstanden … sumimasen  … dass Isao und ich nicht

Weitere Kostenlose Bücher