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Tochter des Windes - Roman

Tochter des Windes - Roman

Titel: Tochter des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Faust, war er doch von mächtigen Feinden umgeben. Das Kind seiner Lieblingsnichte hätte Anlass zu Erpressungen geben können.
    Sie ließ den Baumeister kommen, der, reich belohnt, nach der Schneeschmelze die Heimreise antreten würde. Als der Baumeister vor ihr kniete, legte sie ihm das Kind in die Arme. Er sollte den Kleinen, dem sie den Namen Isaemon gegeben hatte, in seine Familie aufnehmen. Sie bat ihn, das Kind wie seinen Ziehsohn zu behandeln und ihn erst im Mannesalter, wenn er mit Waffen umzugehen wusste, über seine Herkunft aufzuklären. Mataemons Frau Taku war pflichtbewusst und gutherzig. Für ihr Verständnis und ihre Verschwiegenheit konnte sich der Baumeister verbürgen. Ein solches Vorgehen war durchaus nicht unüblich: Es geschah oft in jener Zeit, dass Kinder bei Ziehfamilien aufwuchsen, um nicht in die Hände mächtiger Feinde zu geraten. Für Isaemons Erziehung
überreichte Chacha dem Baumeister eine hohe Summe aus eigener Schatulle. Darüber hinaus stattete sie ihren Sohn mit einem Vermögen an Reisfeldern von zwölf Koku aus (ein Koku ist ein Hohlmaß und stellt die Ernte eines Reisfeldes von tausend Quadratmetern dar). Somit war ausreichend für Isaemon gesorgt, und Chacha erteilte Mataemon die Aufgabe, alles nach ihrer Zufriedenheit zu regeln. Sie tat es umso vertrauensvoller, da er ja der leibliche Vater war. Mehr noch: Sie übergab Mataemon ihr eigenes Kurzschwert, ein kostbares Familienerbstück mit dem Wappen des Oda-Clans; ihr Sohn sollte es tragen, wenn er im Mannesalter war. Es bürgte für seine Abstammung und machte ihn zum Samurai.
    â€ºDas Wissen, wer er ist‹, sagte Chacha, ›wird ihm einen Rang verleihen, und wenn er erwachsen ist, kann er ihn beanspruchen. Kämpft er nicht für sein Erbe, und will er Handwerker bleiben  – nun, er hat die Wahl.‹
    Mataemon bewunderte ihre Umsicht, die gleichzeitig eine große Ehre für ihn war. Und sobald der Schnee schmolz, machte er sich für die Reise bereit. Da traf ihn ein furchtbarer Schlag: Der Bauplan, der sich, getreu der Tradition, in seinem Besitz befand, war verschwunden! Für Mataemon war es, als ob sich der Boden vor seinen Füßen auftat! Er gab sich die Schuld an dem Versagen. Es war ein Flecken auf seiner Ehre, der nur mit dem eigenen Blut abgewaschen werden konnte. Doch Mataemon gehörte nicht zur Kriegerkaste, es war ihm nicht erlaubt, ein Schwert zu tragen und es gegen sich selbst zu führen. Und so ließ er die Fürstin wissen, er könne mit dieser Schande nicht weiterleben und sei bereit, sich freiwillig dem Henker zu stellen. Chacha teilte sein Entsetzen. Doch sie wollte nicht den Vater ihres Kindes dem Verderben ausliefern und sagte: ›Warte, überlass das mir!‹ Ihre Spione nahmen sich der Sache an, und recht bald fiel der Verdacht auf einen Kammerdiener des Daimyos, der ein Christ war.
Chacha befahl, dass der Mann festgenommen und gefoltert wurde, bis er die Wahrheit gestand. Tatsächlich redete der Diener: Ein Nanbanjin habe ihn bestochen. Er nannte seinen Namen: Luis Frois. Chacha hatte gelernt, kühl und effizient im Voraus zu planen. Der Daimyo pflegte Handelsbeziehungen zu Spanien und Portugal und sah in dem Jesuiten einen Mittelsmann von unschätzbarem Wert. Chacha erwog das Für und das Wider und kam zu dem Schluss, dass der Diebstahl keine unmittelbare Gefahr mit sich brachte. Immerhin ließ sie den Jesuiten von ihren Spionen überwachen. Diese würden ihr unverzüglich melden, wenn er Kontakt zu Nobunagas Feinden suchte. In der Zwischenzeit verfügte sie über ein Druckmittel gegen ihn, das unter gegebenen Umständen nützlich sein konnte. Auf diese Weise behielt sie das Spiel in der Hand. Mit dem ehrlosen Diener machte Chacha nicht viele Umstände. Damals herrschte Sippenhaft. Sie ließ den Mann und seine Familie hinrichten und verbot bei Todesstrafe, dass Gerüchte in Umlauf kamen. Diese Leute, hieß es, seien an einer Krankheit gestorben.
    Danach erstattete sie dem Baumeister Bericht. Die Maßstäbe, die Mataemon an seine Pflicht anlegte, waren hoch. Doch wie groß auch sein innerer Kampf sein mochte, eine noch größere Aufgabe erwartete ihn: Chacha hatte ihm ihren Sohn anvertraut, der den Namen Oda fortpflanzen und so das Fortleben der Nachkommen in der Zukunft sichern würde. Dieser Aufgabe konnte er sich nicht entziehen. Und so erhielt die Amme den

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