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Tochter des Windes - Roman

Tochter des Windes - Roman

Titel: Tochter des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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wissen, welches Gemüse heute besonders shun   – frisch  – ist, welches Wasser sie für die Suppe verwenden. Solche Dinge eben, die wichtig sind.«
    Â»Ãœbertreibt ihr nicht ein bisschen?«
    Â»Ja. Wir sind Pedanten, auch in der Küche, tut mir leid. Alles muss stimmen.«
    Â»Könnte ich in Tokio zum Beispiel auch ein Wiener Schnitzel bestellen?«

    Â»Das könntest du. Die besten gibt es bei Lohmeyer. Die Firma wurde von einem Deutschen gegründet.«
    Â»Und wie wäre das Wiener Schnitzel ›made in Tokio‹?«
    Â»Es wäre perfekt. Und bei Lohmeyer kannst du auch ’ne Schweinshaxe kriegen.«
    Mich wunderte gar nichts mehr. Ich trank einen Schluck Sake, und schon war der Fingerhutbecher leer.
    Â»Noch mehr?«, fragte Mia.
    Sie lächelte mit den Augen, hob das Kännchen. Ich hielt Mia den Becher hin. Mia füllte ihn, wobei sie einige Tropfen danebengoss.
    Â»Oh, gomennasai «, jammerte sie konsterniert.
    Ich trank.
    Â»Du, ich mag Sake sehr. Man wird überhaupt nicht beschwipst davon.«
    Â»Sag das nicht zu voreilig.«
    Â»Ein bisschen Alkohol vertrage ich schon«, erwiderte ich aufgeräumt.
    Plötzlich schien sie zu lauschen; ein Lächeln flog über ihr Gesicht.
    Â»Oh, da kommt Isao!«
    Ich vernahm Stimmen, das typische Schleifen eiliger Schritte; die Schiebetür öffnete sich mit leisem Surren, ein Mann erschien im Gegenlicht, bückte sich, glitt elegant in die Nische. Ich starrte ihn an. Der Mann war hochgewachsen, feingliedrig. Sein Haar war völlig weiß, mit einem silbrigen Schimmer, und fiel ihm auf die Schultern.  – Echt? Nachgeholfen? Ich konnte es nicht ausmachen. Ich war von seinem Gesicht fasziniert, länglich, asketisch, wie ein Jesusgesicht von Leonardo da Vinci. Doch da hörte die Ähnlichkeit auf: Der Mann trug einen schwarzen Designeranzug, ein ebenfalls schwarzes Hemd und dazu eine schwarze Krawatte mit einem Muster von gelben Küken. Die Socken, die ich flüchtig
sah, trugen das gleiche Muster. Gelbe Küken. Er zeigte ein freundliches Lächeln, schaffte es mühelos, sich beim Niederknien zu verbeugen und mir gleichzeitig die Hand zu schütteln.
    Â»Guten Abend«, sagte er in bestem Deutsch. »Herzlich willkommen in Tokio! Ich bin Isao Koga.«
    Mit der Geschicklichkeit eines Taschenspielers zog er ein kleines schwarzes Etui aus der Tasche, reichte mir mit beiden Händen seine Visitenkarte. Ich bekam einen roten Kopf. Visitenkarten hatte ich extra für Japan machen lassen, wusste ich doch, dass ich sie hierzulande brauchen würde. Ja, aber ausgerechnet schon heute? Ich betastete vergeblich sämtliche Taschen, entschuldigte mich umständlich, morgen würde ich sie dabei haben. Ja, und  – ich hieß Rainer. Rainer Wilhelm Steckborn, aus Hamburg.
    Â»Angenehm!«, sagte Isao, während ich seine Karte studierte, was mir schwerfiel, weil ich, aus welchem Grund auch immer, beide Augen nicht richtig fokussieren konnte. Und was war genau Senmu Torishimariyaku ? Und was Kikaku shitsu ? Ich musste die Frage laut gestellt haben, denn Isao grinste.
    Â»Geschäftsführer. Unternehmensplanung. Wir machen alles selbst. Mia ist Shacho und Fuku-Kaicho .«
    Â»Oooh«, murmelte ich. »Was ist sie?«
    Â»Präsidentin und stellvertretende Vorsitzende«, sagte Isao.
    Â»Oooh!«, wiederholte ich, wobei ich Mia bewundernd ansah. Sie mimte lachend Bescheidenheit.
    Â»Nein, nein, das ist eine sehr willkürliche Übersetzung! Ich bin überhaupt nicht wichtig.«
    Isao zwinkerte.
    Â»Das sagt sie nur so.«
    Â»Wo haben Sie so gut Deutsch gelernt?«, fragte ich.
    Â»In Heidelberg«, sagte er. »Und dann war ich noch drei Jahre in Berlin.«

    Â»Wir haben zusammen studiert«, erklärte Mia, »mit dem Unterschied, dass sich Isao dann auf Stahlbeton spezialisiert hat.«
    Inzwischen war auch die Kellnerin wieder da, kniete nieder, brachte O Shibori und Eiswasser.
    Â»Rainer mag Sake«, sagte Mia zu ihrem Bruder.
    Â»Ja, ja, der Sake ist hervorragend«, sagte ich und wunderte mich, dass es mir so schwerfiel, Deutsch zu sprechen. Deutsch war doch eigentlich meine Muttersprache.
    Â»Oh, da mache ich mit«, sagte Isao. »Was habt ihr bestellt?«
    Mia erklärte es ihm lang und breit. Isao lächelte mit prachtvollen Zähnen. Bleaching? Wie kam ich nur auf so blöde

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