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Tochter des Windes - Roman

Tochter des Windes - Roman

Titel: Tochter des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Art hölzerner Plattform, die mit Matten aus Reisstroh ausgelegt war. Das Lokal war in Nischen unterteilt, sodass die Gäste einander nicht sehen konnten  – nur hören, und der Lärmpegel war gewaltig. Weder Mia noch die Gastgeberin schienen sich daran zu stören. Beide luden mich durch Gesten ein, Platz zu nehmen. Ich setzte mich unter Verrenkungen vor einen niedrigen, schön polierten Holztisch. Flache Kissen lagen da, auf denen ich meinen Allerwertesten umständlich platzieren konnte. Noch während ich mich fragte, wie ich das durchhalten würde, ohne Muskelkater zu bekommen, entdeckte ich zu meiner Erleichterung, dass sich unter dem Tisch eine Öffnung befand, in der ich die Beine herabhängen lassen konnte. So war es sehr viel besser! Mia erklärte mir, dass im Winter dort ein kleiner Heizofen angezündet wurde. Und wie machte man es, dass man sich nicht die Füße verbrannte? Ein japanisches Geheimnis mehr! Inzwischen kam eine Kellnerin und stellte unter Verneigungen zwei Gläser Eiswasser und heiße Frotteetücher in einem Bambuskörbchen auf den Tisch. Die Dinger hießen O Shibori . Ich kannte sie inzwischen, hatte sie während des Flugs erlebt und als angenehm empfunden. Ich riss das Zellophan auf  – das heiße Frottiertuch, das ich auf Stirn und Wangen drückte, hatte genau die richtige Temperatur. Ein kleiner Hitzeschock, der in zwei Sekunden jede Müdigkeit wegwischte. Die Kellnerin wartete.
    Â»Was möchtest du trinken?« fragte Mia. »Bier oder Sake?«

    Ich gab zu, dass ich noch nie Sake getrunken hatte.
    Â»Willst du mal?«, fragte Mia. »Der Sake hier ist gut. Sie haben ihre eigene Brauerei.«
    Doch, warum nicht Sake? Wenn schon, denn schon! Ich fühlte mich experimentierfreudig. Die Kellnerin brachte ein Kännchen und zwei winzige Keramikbecher. Sie fühlte mit den Händen, ob der Reiswein die richtige Temperatur hatte, und füllte geschickt beide Becher.
    Â»Was sagt man hier, bevor man trinkt?«, erkundigte ich mich.
    Â» Kampai! «
    Ich hob den Becher.
    Â»Dann also: Kampai! «
    Wir prosteten uns zu und tranken. Der Reiswein war etwas lau, schmeckte süßlich und wirklich harmlos. Und dazu diese Miniportionen! Davon bekam ich ganz bestimmt kein Nesselfieber.
    Â»Gut?«, fragte Mia.
    Â»Ja, ausgezeichnet.«
    Â»Du kannst beim Sake bleiben, wenn du willst«, sagte Mia, »du musst ihn in Schlückchen trinken. Und nicht zu viel auf einmal. Wir werden aber auch Wasser bestellen.«
    Â»Wollen wir nicht auf deinen Bruder warten?«
    Â»Nein, nein, wir fangen schon an. Er kommt gleich.«
    Â»Dein Bruder«, fragte ich, »was macht er eigentlich, wenn er gerade kein Haus baut?«
    Â»Spielt Tennis und steuert einen Hubschrauber.«
    Â»Im Ernst?«
    Â»Ja, er war sechs Monate bei der Armee.«
    Â»Ich dachte, Japan hätte keine.«
    Â»Offiziell lässt es unsere Verfassung nicht zu. In Wirklichkeit haben wir trotzdem eine. Wir nennen sie ›Streitkräfte zur Selbstverteidigung‹. Sie besteht natürlich aus Freiwilligen.
Aber sie ist sehr modern und nimmt in der Weltstellung den siebten Rang ein. Du solltest mal mit Isao fliegen.«
    Â»Nein danke, lieber nicht!«
    Â»Er ist ein guter Pilot, weißt du?«
    Â»Nein, ich habe Angst vorm Fliegen!«
    Die Kellnerin, auf den Fersen sitzend, hatte offenbar gewartet, ob mir der Sake schmeckte oder nicht. Er schmeckte mir sehr. Nun zog Mia sie in ein reges Gespräch. Es hörte sich an, als würden beide Frauen über alles Mögliche reden, nur dass die Kellnerin einen kleinen Computer in der Hand hielt und dann und wann etwas eingab. So ging es eine Zeit lang, während mir der Sake durch die Kehle rieselte und ich mich immer wohler fühlte. Gelockert, in vergnügter Stimmung und keine Spur müde.
    Â»Worüber habt ihr so lange gesprochen?«, fragte ich, als die Kellnerin auf den Knien zur Schiebetür rutschte, sich mit eleganter Hüftdrehung erhob und  – schlurf, schlurf  – entfernte. Die Schiebetür hatte sie zugezogen.
    Â»Ãœber das Menü.«
    Â»So lange?«
    Â»Wenn es ums Essen geht, sind wir wählerisch«, erklärte Mia. »Wir wollen ganz genau wissen, ob der Fisch von heute oder von gestern ist, der von vorgestern steht überhaupt nicht zur Debatte. Und natürlich auch, auf welchem Markt er eingekauft wurde. Wir müssen

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