Tochter des Windes - Roman
aus, bevor ich entkräftet über sie fiel. Dann lagen wir da, schlaff und ausgelaugt und keuchend wie Ertrinkende, mit dem Oberkörper auf Tante Azais Schreibtisch. Ich rieb meinen Mund an ihrem Nacken und küsste ihn, bis sich unser Atem allmählich beruhigte. Dann wandte sie sich schwerfällig um, und ich half ihr, sich aufzurichten. Wir sahen einander an, rot im Gesicht und ein wenig betreten.
»Komisch, was das Haus mit dir macht«, brach Mia endlich das Schweigen.
Ich grinste, gespielt zerknirscht.
»Ich weià selber nicht, was über mich gekommen ist.«
»Das sind die Windmenschen, die sich bemerkbar machen.«
»Auf diese Art?«
»WeiÃt du eine bessere?«, fragte sie.
»Nein, eindeutig nicht!«
Wir starrten einander an, bevor wir beide in Gelächter ausbrachen. Verrücktheit war etwas Neues für mich. Ich hatte
mich noch nie so frei gefühlt. Mia streckte die Hand nach ihrer Beuteltasche aus, ich reichte sie ihr, und sie brachte ein dünnes Päckchen Papiertaschentücher zum Vorschein, mit dem wir uns abtupften, bevor wir uns auf den Weg ins Bad machten, uns nass spritzten und gegenseitig abtrockneten. Nachdem ich die Toilette benutzt hatte (die Spülung funktionierte einwandfrei), fand ich Mia, wie sie in ihrem schwarzen Höschen auf und ab spazierte und aufmerksam auf die Tatamimatten schaute.
»Was suchst du?«
»Sperma«, sagte sie. »Ich hoffe, wir haben keine Flecken gemacht.«
Ich bückte mich.
»Hier! Aber nur ein kleiner. Ist das schlimm?«
»Vielleicht freuen sich die Ahnen darüber.«
»So, so!«, sagte ich. »Und Tante Azai?«
»Wir wissen ja nicht«, sagte sie heiter, »was sie in ihrer Jugend so alles getrieben hat.«
Ich tupfte den Flecken behutsam ab, bevor ich nach meiner Unterhose griff.
Das war sozusagen unsere Hauseinweihung.
17. Kapitel
M ia und ich besorgten Geschirr, Bettzeug und verschiedene Dinge, die man im Haushalt so brauchte. Wir kauften nur wenige Möbelstücke; es war ja fast alles vorhanden. Ich erstand zwei Sessel, eine groÃe Leselampe und eine Kommode für das Schlafzimmer (an Tante Azais wuchtigen Erbstücken wagte ich mich nicht zu vergreifen). Schon am nächsten Tag wurden die Möbel geliefert. Ich holte meinen Koffer, stellte alle Bücher akkurat in die Regale. Unter Tante Azais Rollbildern wählte Mia ein Motiv aus, das der Jahreszeit entsprach  â rosa Päonien  â und stellte ein paar Blütenzweige in die Vase. Alles sah jetzt total gestylt aus. Gegen Mittag traf auch Isao ein. Als er aus seinen Schuhen stieg, sah ich, dass er, offenbar in neckischer Stimmung, hellblaue Socken mit kleinen Hasen trug. Isao half mir, die neu erstandene Kommode auseinanderzunehmen und über die »Katzentreppe« nach oben zu befördern, was sich als schwierige Zentimeterarbeit erwies. Er wurde in seinen Bemühungen von einem jungen Menschen in weiÃen Jeans unterstützt, dessen rotes T-Shirt prachtvoll zu den dunklen Locken passte. Der junge Mann führte den klangvollen Namen Masahiro Oda spazieren, lächelte entzückend und sprach kaum ein Wort.
»GroÃartig!«, sagte ich zu Isao, als er mit Hilfe seines stummen Begleiters die Kommode wieder fachgerecht zusammengesetzt hatte. »Du machst wirklich alles gut und richtig.«
Isao wandte mir sein schönes Jesusgesicht zu.
»Danke. Aber nicht immer.«
»Warum bist du eigentlich Pilot geworden?«, fragte ich.
»Ach, mich interessierte das. Ich hatte schon als Kind diesen Wunsch, vielleicht vergleichbar mit dem Wunsch eines verwöhnten Jungen nach einem Kaschmir-Sweater. Ich wollte Kurse in Flugtechnik nehmen.«
»Und deswegen bist du zur Armee gegangen?«
Er nickte.
»Da fliegt man kostenlos und wird gut ausgebildet. Die Instruktoren sind nicht versnobt und machen auch nicht viel Wind um ihr Fachwissen.«
»Ist es schwierig, einen Hubschrauber zu steuern?«
Er lachte und schüttelte den Kopf.
»Will ich meine Kaffeemaschine zum Laufen bringen, habe ich mehr Mühe. Im Hubschrauber kann ich mich auf die Instrumente verlassen. Es ist eher unwahrscheinlich, dass ein bestimmtes Teilchen kaputtgeht. Aber die verfluchte Kaffeemaschine streikt, sobald ich sie mit bloÃen Händen berühre.«
»Und wann sitzt du am Steuer?«
»Immer wenn wir ein Hochhaus bauen. Der Hubschrauber gehört dem Konzern. Eine
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