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Tochter des Windes - Roman

Tochter des Windes - Roman

Titel: Tochter des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Leasing-Maschine. Steht das Haus, kann ich auf dem Dach landen und brauche keine Treppen zu steigen. Und bin ich von Zeit zu Zeit in der Luft, kann ich vermeiden, ständig übel gelaunt dreinzuschauen.«
    Die Männer waren mit einer Riesenportion Sushi gekommen, die wir nach getaner Arbeit in bester Laune verzehrten. Dabei machte sich Masahiro in der Küche zu schaffen, brühte grünen Tee auf und bediente uns sehr geschickt. Vor der englischen Sprache schien er einen heiligen Horror zu haben. Richtete ich das Wort an ihn, sah er regelrecht belämmert aus. Isao blinzelte mir zu.
    Â»Mach dir nichts draus. Er bildet sich nur ein, dass sein Englisch ungenügend ist.«

    Â»Das ist mir egal. Ich bin Deutscher.«
    Ein kleiner Wortwechsel folgte. Dann sagte Isao zu mir:
    Â»Masahiro meint, dass er wohl mit dir Deutsch sprechen kann.«
    Â»Na, dann aber los!«
    Ich sah Masahiro an, der sich einen gewaltigen inneren Ruck gab.
    Â»Guten Tag, wie geht es Ihnen?«, fragte er feierlich und in perfekter Aussprache.
    Â»Oh, das hört sich aber gut an!«, rief ich. »Waren Sie in einem Sprachlabor?«
    Der junge Mann senkte höflich die Augen.
    Â»Nein, ich habe es mir selbst beigebracht.«
    Â»Mit einem Lernprogramm?«
    Â»Nein, mit Grimms Märchen.«
    Â»Wie bitte?«
    Â»Sie wissen schon: Hänsel und Gretel gingen in den dunklen Wald. Ich habe alles auswendig gelernt …«
    Als sich beide verabschiedet hatten, sagte ich zu Mia: »Ich finde deine Landsleute außergewöhnlich, so voller Überraschungen. Wer ist dieser Masahiro eigentlich? Ein Freund oder ein Verwandter?«
    Â»Ach«, sagte sie heiter. »Isao lebt im Augenblick mit ihm zusammen. Ich weiß nicht, wo er ihn aufgegabelt hat. Ich frage ihn auch nicht, solange er nicht von selbst davon redet. Er hat eine gute Aussprache, ne?«
    Â»Es hört sich an wie Rilke: ›Du bist die sanfte Abendstunde, die alle Dichter ähnlich macht …‹ Großer Gott! Wenn ich nur wüsste, ob er mich versteht. Sobald ich in normaler Sprache mit ihm rede, antwortet er immer daneben …«
    Mia brach in Lachen aus.
    Â»Ja, das kann ich dir auch nicht sagen. Aber mir gefällt er. Hoffentlich hält die Beziehung.«

    Â»Ich dachte, dass Isao eine Frau hatte …«
    Â»Ja, Keiko. Aber sie waren nicht verheiratet. Das ist so mit Isao. Er kann sich nicht entscheiden, was er lieber mag, Frauen oder Männer. Das wechselt ständig bei ihm. Masahiro ist viel netter als Keiko, die eine Tussi war.«
    Â»So so«, sagte ich amüsiert.
    Â»Bei uns stört sich niemand daran. Das ist Privatsache. Und in Deutschland?«
    Â»Tja«, meinte ich. »Heutzutage eigentlich auch nicht mehr. Das ist Privatsache.«
    Â»Früher galt die Ehe bei uns als gesellschaftliche Verbindung«, sagte Mia. »Und in Deutschland?«
    Â»Auch. Protestanten, Katholiken und Juden heirateten unter sich, sonst ging die Welt unter. Dazu kamen Standesdünkel und Vermögensunterschiede. Man nahm am besten einen Bankkredit auf und wanderte nach Kanada aus. Da war man fortschrittlicher.«
    Mia verzog das Gesicht.
    Â»Bei uns mischte sich der ganze Familienrat ein. Großeltern, Onkel und Tanten, Neffen und Nichten, alle! Was unbedingt stimmen musste, war das gesellschaftliche Umfeld.
    Deswegen gab es ja die O Miai, die sogenannten ehrenwerten Begegnungen.«
    Â»Was ist das?«
    Â»Eine altmodische Form der Partnervermittlung. Die Kandidaten wurden auf Herz und Nieren geprüft. Elternhaus, Studium, Vorlieben, Abneigungen, Kleider- und Schuhgröße.«
    Â»Auch, ob die Braut noch Jungfrau war?«
    Â»Aber nein. Das war Privatsache.«
    Â»Sieh mal an, da war man großzügiger als bei uns.«
    Â»Wir legen den größten Wert auf unser Privatleben«, sagte Mia. »Die heutige Form von O Miai kostet Nerven und Geld, ist aber der letzte Rettungsring für Herzen in Not.«

    Â»Oh je, gibt es die noch?«
    Â»Mehr als du denkst. Die jungen Leute leben ja noch oft bei den Eltern, auch wenn sie längst im Berufsleben sind. Sie finden nach Büroschluss das fertige Essen vor, und Mama kümmert sich um die Wäsche. Das erzieht sie nicht gerade zur Selbstständigkeit.«
    Â»Gehört Beischlaf auch zum Privatleben?«
    Â»Aber sicher. Man will doch keine Katze im Sack. Dafür gibt es Love Hotels. Das sind Stundenhotels für höhere

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