Tod am Chiemsee (German Edition)
mit seiner Nonne, die wie ein leichtes
Mädchen aussieht.« Schwester Jadwiga ließ ein abfälliges Schnauben hören.
Die Rüge schien Marian nicht sonderlich zu beeindrucken.
»Ich finde das eine erfrischende Interpretation und habe den
Künstler gefragt, ob er für unser Sommernachtsfest nicht einige seiner
Skulpturen im Klostergarten ausstellen möchte«, sagte sie.
»Nicht die Nonne«, ereiferte sich Schwester Jadwiga. »Wir werden
noch darüber reden müssen, ob es angeraten ist, das Fest wie geplant im August
anzuberaumen. Ich frage mich: Können wir feiern, wenn zwei Familien um ihre
Kinder trauern?«
»Sollte man der Trauer nicht mit Freude begegnen?«, fragte Stefan.
Allerdings mit einem Hintergedanken.
Noch hatte der Kriminalkommissar allerdings keine Ahnung, was er da
Giftiges heraufbeschwor.
7
Fette
Henne (Sedum
telephium)
Standort: Fette Henne findet sich an lichten, mageren Standorten wie Waldlichtungen, an
Wegen und Felsen. Sie kommt in Deutschland zerstreut vor und verträgt
zeitweilige extreme Trockenheit gut.
Wirkungsweise: In der Volksheilkunde werden die frische Pflanze und der Presssaft vor allem
zum Blutstillen und zur Wundheilung verwendet.
»Hast du deinen Badeanzug nicht dabeigehabt, Oma?«, wurde
sie gefragt.
»Hast du deinen Badeanzug nicht dabeigehabt, Oma?«, äffte Friederike
Villbrock ihren aufmüpfigen Enkel nach.
Wehe, wenn er jetzt lacht, sagte sie sich und eilte an dem großen
Spiegel im Eingangsbereich ihres kleinen Hauses vorbei, um unverzüglich das Bad
anzusteuern. Sie musste raus aus den nassen Sachen.
»Oma Friederike, der Schirm ist hin.« Maximilian deutete auf das
zerfledderte Ding in ihrer Hand. Sie hatte ihn aus dem See gefischt, weil
jemand sie gesehen hatte, und nur darum. Der Schirm war hinüber, der hätte auch
gut und gern im Wasser bleiben können. Aber das hätte man ihr im Nu und ganz
bösartig als Umweltverschmutzung auslegen können.
»Diese Mistkröte«, schimpfte Friederike.
Maximilian lugte um die Ecke. »Wie geht’s deinem Hals? Hat die Nonne
wirklich versucht, dich zu ertränken?«
Dieses fürchterliche Kind. Hoffentlich kam seine Mutter ganz bald,
um es abzuholen.
»Pfff«, machte Friederike und zog die Badezimmertür hinter sich zu.
Erinnerungen stürzten auf sie ein. Sie hatte das Haus nicht gekauft,
um ihre Jugendzeit zurückzuholen, doch sie hätte auch nie geglaubt, ihr noch
einmal so nahe zu kommen.
Sie ließ das Badewasser einlaufen, um sich den Chiemsee abzuwaschen,
und dachte dabei an Moritz Lanz. Mit Theresa hatte sie es nie aufnehmen können
und mit Marian auch nicht.
Die Mädchen aus dem Internat hatten sich eines Abends mit einigen
Jungs aus der Gegend verabredet. Sie waren zur Krautinsel hinübergerudert,
gackernde Hühner, die ein Abenteuer suchten.
Fünf Mädchen und fünf Jungen, darunter ein Brüderpaar. Moritz und
Lukas Lanz. Friederike waren sie wie Konkurrenten vorgekommen, vielleicht waren
sie es auch gewesen.
Es war ein lauer Sommerabend, die Kleidung der Mädchen luftig und
leicht, nicht zuletzt dazu gedacht, die Jungen ein wenig zu reizen. Die Fenster
des alten Schuppens waren geöffnet, und sie wurden schon erwartet.
Zigaretten rauchen, Alkohol trinken und in ihrer Mitte eine leere
Weinflasche, die man immer wieder drehte. Der Flaschenhals war richtungweisend,
und die Person, die die Flasche drehte, war auch diejenige, die bestimmte.
Zuerst wurden verschiedene Aufgaben gestellt, die erfüllt werden mussten.
Irgendwann schlug jemand vor, wer als Nächster dreht, muss den anderen küssen,
egal, wen man erwischt. Zungenküsse, wo Friederike noch nie zuvor überhaupt
einen Jungen geküsst hatte. Auch kein Mädchen. Als sie die Flasche drehte,
betete sie, dass es Moritz Lanz sein würde. Und dann wies der Flaschenhals
tatsächlich auf ihren Auserwählten.
Friederikes Züge wurden weich. Sie ließ sich in die Wanne gleiten
und schloss träumerisch die Augen. Sie hatte gezittert, als Moritz ihr Gesicht
in beide Hände genommen, sie behutsam geküsst, ihre Lippen geteilt und mit
seiner Zunge die ihre berührt hatte. Sie hätte schreien mögen vor Glück. Aber
es war natürlich ein Spiel, und außer ihr hatte es auch niemand sonderlich
ernst genommen.
Als sie schließlich mit dem Boot wieder zurückfuhren, hatte
Friederike gesehen, wie Moritz Theresa einen Zettel zusteckte und einen Finger
auf ihre Lippen legte. Es war ein Blick, aus dem alles sprach, was Friederike
sich für sich selbst erträumte.
Und noch
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