Tod am Chiemsee (German Edition)
fabulierst du dir da zusammen … beim nächsten Sturm wurde die
Frau wahrscheinlich irgendwo angespült. Oder auch nicht, und man fand sie erst
Jahrzehnte später.
»Weiß man schon, wo Theresa und Moritz getötet wurden?«, stellte
Althea die Frage, die sie beschäftigte, seit die Nachricht von diesem Koffer im
Radio kam.
»Darüber habe ich keine Informationen.«
»Dann solltest du sie dir beschaffen. Irgendwo muss etwas sein, was
darüber Auskunft gibt. Ein Gras, eine Pflanze, irgendein Gewächs, womöglich
Überreste von irgendetwas. Mörder handeln nicht immer durchdacht, sie sind
manches Mal auch panisch.« Sie wusste, dieser letzte Satz hatte einen
Beigeschmack und ließ unendlich viel Raum für Spekulationen. Für Stefans und
ihre eigenen.
Im Fall Theresa Biedermann und Moritz Lanz ebenso wie im Fall Rick
Dante.
»Der Mörder oder die Mörderin hatte nicht viel Zeit, die Toten
irgendwohin zu bringen, aber genug Zeit, um den Koffer so zu präparieren, dass
die Leichen hineinpassten. Und an das andere glaube ich nicht, Tante Marian.«
Althea hatte die Frage nicht gestellt, aber Stefan hatte sie
beantwortet. Ihr Neffe gab ihr zu verstehen, dass er nicht glaubte, dass seine
Tante einen heimtückischen Mord begangen hatte.
Wenn sie es nur nicht selbst von sich glauben müsste.
Der Kriminalkommissar ruderte, und Miss Marple überlegte noch ein
bisschen.
Es war ein heißer Sommer gewesen, als die beiden damals
verschwanden. Ein Sommer wie dieser. Allmählich sickerten auch wieder einzelne
Fragmente durch die Staubschicht auf ihrer Erinnerung. Am Früher haftete immer Staub, nicht selten auch Tränen.
Moritz war ein wirklich hübscher Junge gewesen, aber sie bevorzugte
Männer. Da war diese glamouröse Hochzeit drüben in der »Linde« gewesen, dem
Gasthaus mit den schönen Kastanienbäumen im Garten – der Bräutigam hatte ihr
gefallen, und sie hatte mit den anderen Mädchen gewettet, dass sie ihn in
seiner Hochzeitsnacht verführen würde. Er war ein leichtes Opfer gewesen, dazu
betrunken. Als Trophäe hatte Marian ihm einen der Platinmanschettenknöpfe
abgenommen.
Und als sie sich hinterher im Spiegel betrachtete, hatte sie ihr
Bild angespuckt. »Warum tust du so was?« Sie war sich manches Mal vorgekommen,
als tummelten sich zwei Persönlichkeiten in ihrem Kopf.
Stürmische Zeiten. Heute herrschte Ruhe.
In der Mitte des Sees zog Stefan die Ruder ein.
»Erzähl mir alles, was dir aus deiner Schulzeit in Erinnerung
geblieben ist. Anfangen könntest du mit Jungen, mit Männerbekanntschaften.
Moritz Lanz stammte aus der Gegend, und er hatte einen älteren Bruder. Und
dieser Gregor, der Künstler, lebte der damals auch schon auf Frauenchiemsee?«
Stefan Sanders hatte es zwar als Bitte formuliert, doch es war
keine; es war die Befragung von Marian Reinhart. Und Schwester Althea würde ihm
die Antworten geben, die er brauchte – alle, bis auf eine.
9
Bittersüßer
Nachtschatten (Solanum
dulcamara) – giftig
Standort: Halbschattig bis schattig, bevorzugt nährstoffreiche, humose, feuchte Böden an
Ufern, in Wäldern und Gebüschen.
Wissenswertes: Die gesamte Pflanze ist aufgrund der darin enthaltenen Alkaloide giftig,
besonders trifft das jedoch auf die unreifen (grünen) Früchte zu. Mit
fortschreitendem Reifeprozess nimmt der Alkaloidgehalt jedoch ab. Reife
Früchte, die rot gefärbt sind, enthalten nur noch wenig Alkaloide, trotzdem
muss vom Verzehr abgeraten werden. Schon in früheren Zeiten verwendete man die
getrockneten Stängel der Pflanze als Arznei gegen Krankheiten, die man auf
Stoffwechselstörungen zurückführte. Der Name »bittersüßer« Nachtschatten rührt
vom anfangs bitteren und dann süßlichen Geschmack des Krautes her.
Es war dieser entrückte Blick, zum Wahnsinnigwerden.
Gregor Tümmler hätte Tobias am liebsten geschüttelt, bis die
Gedanken aus ihm herauspurzelten.
Sie saßen auf einer Decke im Garten. Um sie herum brannten Glühwürmchen , wie Tobi die kleinen Lampen nannte, die
Gregor aus gebranntem Ton und altem Eisen gefertigt hatte.
»Was gab’s denn an Schätzen zu finden, nach dem Sturm? Etwas
Interessantes?«, fragte er, um Tobi abzulenken. Normalerweise erzählte der
Junge gern davon, aber seit ein Fischer diesen Koffer gefunden hatte, war
Tobias bedrückt. Nicht einmal seine Schätze vermochten ihn aufzumuntern.
Tobias Tümmler, wie der Delphin. Ein Kind, das im Körper eines
Mannes steckte.
»Kopf in den Sternen«, sagte er, nickte und deutete zuerst
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