Tod am Chiemsee (German Edition)
Kath«, sagte Stefan. »Ich will dich nicht
retten müssen, Schwester Althea.«
»Ich dich auch nicht, Herr Kommissar. Es ist hier wirklich nicht
tief«, sagte sie und hoffte, dass es stimmte.
Und jetzt begann auch Stefan Sanders, sich auszuziehen. »Ich kann
nicht glauben, dass ich das gerade tue«, sagte er.
Althea ließ sich, bekleidet nur mit ihrer Unterwäsche, ins Wasser
gleiten. »Weiß deine Priorin, was du unter dem Ordensgewand trägst?«, fragte
er.
»Schwester Jadwiga würde rot werden oder schwarz vor Ärger. Und ihre
spitzen Bemerkungen könnte ich mir schon denken.«
Althea pumpte genügend Luft in ihre Lungen, dann griff sie nach dem
dünnen Seil und hangelte sich abwärts. Dunkelheit umschloss sie. Sie fühlte die
Bewegung über ihr, aber zu sehen war da erst mal überhaupt nichts.
Stefan war dabei, und das gab ihr die nötige Ruhe. Sie musste sich
beeilen, sie wusste ja nicht, wie tief der See an dieser Stelle tatsächlich
war. Und sie musste zusehen, dass ihr noch genug Luft zum Auftauchen blieb.
Doch bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, endete das Seil.
Ihre Hände tasteten umher … Da trieb etwas, und etwas anderes hielt
es fest. Schwärme von Algen waberten im Wasser, bis ihr aufging – es waren
keine Algen, die da trieben, es waren lange Haare.
Althea fühlte etwas Schwammiges und doch Kompaktes: ein Körper. In
maßlosem Entsetzen zog sie ihre Hände zurück. Beinahe hätte sie nach Luft
geschnappt. Nein, nein!
Eine Hand berührte ihre Schulter, es war die von Stefan. Er zog an
ihrem Arm, bedeutete ihr, sie müssten zurück an die Oberfläche.
Althea stieß sich ab, paddelte mit den Füßen, bewegte unterstützend
die Arme und tauchte atemlos prustend wieder auf. Stefans Kopf erschien
unmittelbar neben ihr.
Das hektische Blinken hatten sie überhaupt nicht wahrgenommen, und
die Männer, die sich jetzt etwas zuriefen, waren für sie nur Schatten im
Dunkeln.
Ein Boot der Wasserwacht lag neben den beiden kleineren Booten.
Althea war an ihre Grenzen gegangen, ihr war schwindlig, und es
kostete sie bereits ungeheure Anstrengung, nach der Hand zu greifen, die ihr
jemand entgegenstreckte.
Die Nonne und der Kommissar wurden gerettet, obwohl sie das durchaus
selbst gekonnt hätten.
Althea schaute in Stefans Gesicht und flüsterte: »Verflixt.«
Und als plötzlich etwas aufblitzte: »O nein!«
23
Weiße Nachtnelke (Silene alba)
Standort: Sonnig, warm, Lehmböden.
Wissenswertes: Die Pflanze ist ein typischer Nachtblüher, sie wird von Nachtschmetterlingen
bestäubt. Erst gegen Abend öffnen sich die Blüten vollständig und beginnen zu
duften. Die Pflanze wächst gern in Unkrautbeständen auf Äckern.
»Gefunden wird derzeit einiges im Chiemsee. Warum bloß
wird vorher nichts vermisst? Erst Knochen, und gestern sogar eine ganze Leiche
– die Tote lebte auf Frauenchiemsee. Eine Malerin, heißt es, und was es noch
heißt, ist derzeit nicht offiziell bestätigt. Aber ich plaudere aus dem
Nähkästchen … oder doch lieber nicht.« Der Moderator des Morgenmagazins zeigte
sich heute ausnahmsweise einmal zurückhaltend.
Jemand anders war das ganz und gar nicht, aber Althea hörte nur mit
einem Ohr zu.
»Was wirst du ohne mich machen, wenn ich gefeuert werde?«, fragte
sie denjenigen, der ihr immer zuhörte. Er hatte nur selten etwas zu sagen – und
wenn, dann tat er es auf eine leise Weise.
»Ich weiß, du liebst mich, und grade hoffe ich, dass es auch noch
ein paar andere tun. Stürmische Zeiten. Und nicht erst seit gestern.«
Obwohl das Gestern dafür gesorgt hatte,
dass Althea der Blitz getroffen hatte. Ganz sicher war dieses wunderbare Foto
heute bereits in mindestens einer Zeitung zu sehen. Sie erinnerte sich an das
zufriedene Grinsen von Arthur Barhaupt, einem Journalisten, der wie ein Fuchs
ständig nach seinen verscharrten Vorräten suchte. Gestern Nacht hatte er sich
neue angelegt.
»Nicht gut, aber ich mag keine Baumwollunterwäsche«, entschuldigte
sie sich und hoffte auf Verständnis.
Es war grauenhaft gewesen. Der Moment, in dem Althea das
umherwabernde Haar berührte und begriff, dass zum Haar eine Frauenleiche
gehörte.
Und du hattest an den Fischer gedacht. Sie hatte nur den
Außenbordmotor gesehen. Erst später war ihr aufgegangen, dass es kein
Fischerboot gewesen sein konnte, sondern eines, wie es auch das Kloster für
kleine Besorgungsfahrten benutzte. Es musste also einer Privatperson gehören.
Jemandem, der auf einer der Inseln lebte. Auf den Namen
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