Tod am Chiemsee (German Edition)
standen. Im Hintergrund lief auch hier der heimische Radiosender.
Althea ließ sich in einen der gemütlichen Rattansessel fallen.
Gregor holte eine Kanne voll Eistee und setzte sich dann auf den Sessel zu
ihrer Rechten.
Gregor Tümmler war noch immer ein attraktiver Mann, obwohl er Mitte
sechzig sein musste. Althea kannte ihn schon ewig, und das hieß, seit ihrer
Schulzeit auf Frauenchiemsee. Aber bei ihm hatte sie nie ein komisches Gefühl,
nicht so wie bei Friederike Villbrock. Gregor war zwar eigen, aber nur, was
seine Kunst betraf.
»Meine liebe Schwester Althea, für dich gebe ich alles, weil du
kritisch bist und mir nicht erzählst, was ich hören will.«
»Schmeichler«, gab sie lachend zurück. »Ich möchte auch die Nonne
dabeihaben.«
Er winkte ab. »Die Nonne nicht – deine Mitschwestern würden sich
bloß fürchterlich aufregen. Sie trägt einen kurzen Rock.«
»Sie trägt, was ich gern tragen würde«, sagte Althea. »Und alle
anderen zurzeit wahrscheinlich auch. Die Nonne muss dabei sein, Gregor!«
Die Skulptur, von der sie sprach, war aus Holz gefertigt, ihr
Schleier und ihre Kleidung aber aus Eisen.
Althea war sicher, er würde ihr den Wunsch nicht abschlagen, und mit
aufgeregten Schwestern kam sie schon klar.
»Wie geht’s Tobias?«, erkundigte sie sich dann. Tobias war Gregors
Neffe, der bei ihm lebte, weil seine Eltern mit der geistigen Behinderung nicht
zurechtkamen. Na ja, sie hatten es erst gar nicht versucht.
Aus dem Jungen war längst ein Mann geworden. Umgänglich, freundlich
und hilfsbereit. Eben nur nicht erwachsen, ein wenig langsamer und
nachdenklicher als andere. Tobias Tümmler, wie der Delphin ,
hatte er sich ihr damals vorgestellt. Und wer wusste, dass ein Tümmler zu den
Delphinen gehörte, den konnte man nicht als dumm bezeichnen, fand Althea.
»Er ist unterwegs mit seinem Karton. Der Sturm gestern könnte ja
irgendwelche Schätze angespült haben«, sagte Gregor.
»Stimmt.« Althea lächelte. Tobias hatte eine Riesenfreude daran,
die Insel zu durchstreifen, auch ohne dass es gestürmt hatte. Natürlich waren
nicht all seine Funde Schätze, doch die, die er dazu erhob, landeten in einer
Schatzkiste.
»Falls Tobi Zeit und Lust hat, würde ich mich freuen, wenn er die Einladungen
zum Sommernachtsfest entwerfen würde.« Das war ihr spontan eingefallen, aber
Althea dachte, eine gute Tat könnte nicht schaden. Nach ihrer Ankündigung,
einen Mord zu begehen, brauchte sie ganz dringend eine.
Sie wusste, Tobias war ein talentierter Zeichner, und es würde ihm
außerdem Spaß machen. Von dieser guten Tat hatten also durchaus beide Seiten
etwas.
Gregor nickte. »Das macht er bestimmt gern. Was bietet das Kloster
seinen Gästen denn zum Sommernachtsfest?«
Althea erzählte Gregor von ihrem Vorhaben, einige Boote zu
Chiemsee-Gondeln umzufunktionieren. »Eine Art Wassertaxi.« Jetzt, wo sie es
laut aussprach, gefiel ihr die Idee ausnehmend gut.
Ihr Gegenüber reagierte eher amüsiert.
Im Radio kamen jetzt die neuesten Nachrichten. Die letzte Meldung
klang auch ohne die üblichen Kommentare des Moderators schon gruselig genug.
»… ein alter Schrankkoffer aus den Tiefen des Sees. Die
Seglerin bleibt verschwunden. – Der Chiemsee gibt seine Opfer irgendwann wieder
frei, doch den Zeitpunkt behält er sich vor. Genießt den Tag, Leute, besonders
die, die nicht mehr viel Zeit dazu haben …«
Nun sah Gregor Tümmler überhaupt nicht mehr amüsiert aus.
3
Arzneikürbis (Cucurbita pepo)
Standort: Sonnig, warm, humoser, tiefgründiger, nährstoffreicher Boden mit guter
Wasserversorgung.
Wissenswertes: Früher wurden Kürbiskerne sogar gegen Würmer verwendet. Tatsächlich hat der
darin enthaltene Stoff Cucurbitin eine Wirkung gegen diese Parasiten,
allerdings erst bei höherer Konzentration. Dazu müssten zweihundert bis
vierhundert Gramm Samen auf einmal verspeist werden.
Neugier war keine Sünde, aber sie hatte oft ein Urteil zu
Folge. Und das stand einem meist gar nicht zu.
Weiß der Geier, worauf Gregors eigenartige Reaktion zurückzuführen
war. Althea konnte sich nicht vorstellen, dass es mit der verschwundenen
Seglerin zu tun hatte.
Gregors Gesicht war mit einem Mal undurchdringlich geworden. Gerade
hatten sie noch zusammen gelacht, und im nächsten Augenblick entschuldigte er
sich eilig, er müsse mal nachsehen, wo Tobi bleibe. Jegliche Lockerheit war
verschwunden.
Althea machte sich auf den kurzen Weg zurück zum Kloster, ohne eine
Zusage im Gepäck zu haben,
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