Tod am Kanal
al-Shara
zu suchen?«
»Bist du verrückt?«, ereiferte sich der Oberkommissar.
»Es wäre nicht das erste Mal, dass du dich sehr
eigenwilliger Methoden bedienst. Da gab es zum Beispiel den Schubser, der mit
herabgelassener Hose im Husumer Schlosspark gefunden wurde.«
»Und?«, fragte Große Jäger mit kokettem
Augenaufschlag. »Leider haben wir trotz intensiver Suche nie denjenigen finden
können, der den Schubser dort angetüdelt hat.«
»Und wie geht es Maike Hauffe?«
»Tja.« Große Jäger kratzte sich an der Stelle am Hinterkopf,
an der die Mönche ihre Tonsur haben. Bei ihm zeichnete sich ab, dass es eine
Frage der Zeit war, bis er auch über zumindest dieses eine mönchische Attribut
verfügen würde. »Die ist weg.«
»Was heißt das?«
»Die ist gestern noch von ihren Eltern abgeholt
worden. Gegen den Rat der Medizinmänner.«
»Ist das Mädchen nun schwanger?«
Der Oberkommissar breitete die Hände aus und kehrte
die Handflächen nach oben – eine international verstandene Geste, die besagte: Ich weiß es nicht.
Das Telefon klingelte. Im Display erkannte Christoph,
dass Polizeidirektor Grothe am Apparat war.
»Itzehoe hat übernommen«, sagte der Chef und legte
ohne weitere Anmerkung auf.
»Wir sind aus dem Geschäft«, erklärte Christoph seinen
Kollegen. »Die Mordkommission aus Itzehoe kümmert sich um den Mord auf der
Eiderbrücke.«
Große Jäger rieb sich die Hände. »Das ist gut. Dann
können die offiziell ermitteln, und wir kochen unser eigenes Süppchen. Oder
glaubst du, Harm, wie du unseren Christoph kennst, dass der die Sache auf sich
beruhen lässt? Unserem Kieler Mischling haben wir nicht umsonst in den letzten
Jahren die Sturheit der Nordfriesen eingepflanzt.« Er stand auf und ging zur
Tür. »Auf, ihr Wikinger. Los geht’s.« Christoph widersprach ihm nicht. Das
Gleiche hatte er auch vorgehabt.
Der Oberkommissar hatte sich selbstverständlich hinter
das Lenkrad geklemmt, während Christoph versuchte, Jürgensen über Handy zu
erreichen.
»Habt ihr schon irgendwelche Erkenntnisse?«, fragte
Christoph, als er den Leiter der Spurensicherung am Apparat hatte.
»Ich bin nur ein kleiner Hauptkommissar und nicht der
liebe Gott«, schniefte der Kriminaltechniker. »Wobei die Betonung auf ›klein‹
liegt. Gott kann Wunder vollbringen. Wir nicht! Im Übrigen kannst du dir schon
einmal überlegen, was du springen lässt, nachdem du uns hierhergelockt hast. So
ein Schweinkram wie dieser Mord wird uns selten präsentiert. Und das vor dem
Hintergrund, dass wir gar nicht zuständig sind, wie ich gehört habe. Da ich
aber weiß, dass du keine Ruhe gibst, kann ich dir schon etwas verraten. Bei dem
Toten handelt es sich um einen jüngeren Mann. Nun frage nicht weiter. Mehr
wissen wir auch noch nicht.«
Das war wenigstens etwas, wenn auch nicht viel.
Große Jäger zählte die Namen der Personen männlichen
Geschlechts auf, die ihnen in diesem Fall bisher begegnet waren. »Das macht
alles keinen Sinn«, schloss er seine Überlegungen. »Da ist keiner bei, der als
Opfer infrage kommt. Ina Wiechers hat keine Angehörigen, die am vermeintlichen
Mörder hätten Rache nehmen können. Rebeccas Vater war zwar ziemlich
aufgebracht, aber deshalb wird er den Verursacher nicht auf eine solche Weise
umbringen. Was hätte sein Auftritt vorhin auf der Dienststelle für einen Sinn
gehabt?«
»Er selbst wird dazu kaum in der Lage gewesen sein,
schon von der körperlichen Verfassung her nicht. Aber als Jurist hat er
vielleicht Zugriff auf Helfer, die diesen Job für ihn erledigt haben könnten.«
Große Jäger sah Christoph an. »Das glaubst du selbst
nicht. Der Mann ist Wirtschaftsjurist. Der gibt sich mit niederem Volk nicht
ab. Und seine White-Collar-Kriminellen, denen er behilflich ist, werden so eine
Drecksarbeit nicht verrichten.«
»Du und deine Vorurteile. Ein Anwalt, der große
Unternehmen berät, ist doch nicht zwangsläufig auf Abwegen.«
»Was heißt hier Vorurteile?«, griente der
Oberkommissar zurück. »Ich bin der einzige Realist im Gebiet zwischen der
Feuerwache von Oslo und dem Stadtpark von Mailand.«
»Eine merkwürdige Beschreibung deines Lebensraumes«,
fiel Christoph in die Heiterkeit ein. »Aber zurück zu unserem Fall. Nico von
der Hardt hat sicher auch nicht viele Freunde. Ich könnte mir gut vorstellen,
dass ihm mancher gern am Zeug flicken würde.«
»Wenn es da eine Warteschlange gibt, reihe ich mich
ein. Andererseits hat er bei mir Pluspunkte gesammelt. Immerhin ist
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