Tod am Kanal
Trochowitz
mündete, war nicht vorhersehbar.«
»Pah«, war der einzige Kommentar Große Jägers dazu.
Dann fuhr er zum Stadtrand und ließ den Ford langsam am Haus der Asylbewerber
vorbeirollen.
»Halt mal an«, sagte Christoph und stieg aus.
Der Hausflur war dunkel und roch muffig. Von
irgendwoher war Musik zu hören, die für europäische Ohren gewöhnungsbedürftig
war. Christoph klopfte an der Wohnung, dessen Bewohner ihn beim ersten Mal zu
Fouads Mutter geschickt hatten. Dort erhielt er die Auskunft, dass die Frau im
Obergeschoss wohne.
Er stieg die ausgetretenen Stufen hoch und pochte
gegen die Holztür. Nach einer Weile wurde sie einen Spalt geöffnet, und Frau
al-Sharas rundes Gesicht war undeutlich in der schummrigen Beleuchtung zu
erkennen. Sie trug wie viele muslimische Frauen ein Kopftuch.
»Guten Tag, Frau al-Shara. Erkennen Sie mich wieder?
Wir haben gestern miteinander gesprochen.«
Sie nickte unmerklich.
»Wir suchen immer noch Ihren Sohn. Ist er zu Hause?«
»Nicht da. Fouad weg«, sagte sie.
»War er in der Zwischenzeit hier?«
»Nicht da.«
»Wissen Sie, wo er sein könnte?«
»Nicht wissen.« Plötzlich begann sie still zu weinen.
»Guter Sohn. Ist weg. Ich Angst«, radebrechte sie. Dann schlug sie die Haustür
zu.
Christoph klopfte noch einmal an die Tür im
Erdgeschoss. Der arabisch aussehende Mann, der ihm vorhin behilflich gewesen
war, öffnete erneut.
»Ich bin von der Polizei. Wissen Sie, wo wir Fouad
antreffen können?«
Der Mann mit den dunklen Augen und dem schmalen
Oberlippenbart sah Christoph durchdringend an. »Warum soll ich der Polizei
helfen?«, fragte er.
»Weil es für uns wichtig ist. Und für den Jungen.«
»Immer werden wir Ausländer zuerst verdächtigt.« Der
Mann sprach gut Deutsch, auch wenn ein ausgeprägter Akzent seine Worte
begleitete. »Warum interessiert sich die deutsche Polizei nicht dafür, dass man
uns immer angreift? Ich glaube, Fouad hat Angst, auch wenn er immer ein großes
Maul hat. Suchen Sie die, die heute Nacht wieder vor unserem Haus waren.«
»Was waren das für Leute?«
»Keine Ahnung. Ich gehe doch nicht hin und frage.
Letzte Nacht war es ein kleines blaues Auto, das lange dort drüben gestanden
hat. Ohne Licht.« Er zeigte auf die andere Straßenseite.
»Was für ein Auto?«
»Keine Ahnung. So ein Zweisitzer.«
»Wann war das?«
»Nach Mitternacht.«
Christoph kehrte zum Dienstwagen zurück.
»Das wird immer merkwürdiger mit dir«, sagte er zu
Große Jäger. »Du lügst genauso wie van Oy. Mir versuchst du ein Desinteresse an
al-Shara vorzugaukeln, während du vor dessen Wohnung Nachtwache schiebst.
Deshalb warst du auch telefonisch nicht erreichbar.«
»Das ist doch meine Sache.«
Christoph schüttelte den Kopf. »Ich bin mehr als
enttäuscht von dir.«
»Das ist deine Sache. Was machen wir jetzt?«
»Jetzt fahren wir zur Familie Hauffe. Nein! Warte. Ich
habe noch eine andere Idee.«
Sie fuhren zum Marktplatz und stellten dort ihren
Wagen ab. Dann gingen sie zu Fuß durch die Prinzenstraße, die zur Fußgängerzone
umgestaltet worden war. Van Oy wohnte in einem hübschen Treppengiebelhaus an
der Ecke Westerhafenstraße. Christoph klingelte bei einem Nachbarn.
Eine resolut aussehende Frau mit blondierten Haaren
empfing sie.
»Wir möchten zur Familie van Oy«, sagte Christoph,
nachdem die etwa Sechzigjährige ihn und Große Jäger kritisch beäugt hatte.
»Der ist nicht da. Er kommt gegen Mittag. Der ist
Lehrer«, erklärte sie.
»Und seine Frau?«
»Die ist auch Lehrerin. In Heide. Die habe ich aber
die ganze Woche noch nicht gesehen. Ich glaube, die ist auf Klassenreise. So
was hat sie mal gesagt.« Sie zwinkerte Christoph vertraulich zu und rückte ein
Stück näher. Dabei roch er ein süßes Parfüm, das dem üppigen Dekolleté entwich.
»Darum habe ich mich auch nicht gewundert, dass er «, dabei zeigte sie
mit dem Daumen nach oben, »heute Nacht auf’n Zwutsch war.« Erneut zwinkerte sie
Christoph zu. »Der ist eine Stunde vor Mitternacht noch mal weg und erst um
drei wieder nach Hause gekommen. Ich war nämlich mal für kleine Mädchen.«
»Macht er das öfter?«, fragte Christoph und zwinkerte
vertraulich zurück.
»Es ist ja nicht meine Art, über andere zu schludern.
Aber in der Ehe stimmt das wohl nicht mehr. Nicht, dass das lauten Streit gibt.
Dafür sind Lehrer wohl zu vornehm. Aber man kriegt so ein Gefühl dafür. Würde
mich ja nicht wundern, wenn er eine andere hat. Ist aber wohl unmoralisch,
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