Tod am Kanal
erzählen. »Wer ist heute noch dem Unterricht ferngeblieben?«
Der Schulleiter wirkte jetzt ungehalten. »Woher soll
ich das wissen? Ich kann unmöglich durch alle Klassen laufen.«
»Ist Maike Hauffe zur Schule gekommen?« Christoph
glaubte es nicht, fragte aber trotzdem.
»Die ist von ihrer Mutter entschuldigt worden. Ebenso
wie der Kollege Hauffe. Offenbar ist in der Familie eine Infektion
ausgebrochen.«
»Hat Frau Hauffe das gesagt?«
»Nein, aber wenn Vater und Tochter fehlen, vermute ich
so etwas.«
»Wo waren Sie heute Nacht?«
Van Oy sah Christoph ungläubig an. »Ich?«
»Wer sonst?«, mischte sich Große Jäger ein. »Wo wir
beide waren, wissen wir selbst.«
Er fing sich dafür einen Seitenblick von Christoph
ein, der besagte, dass der nächtliche Ausflug des Oberkommissars noch einmal
diskutiert werden müsse.
Der Schulleiter griff sich einen Kugelschreiber und
drückte nervös auf den Knopf. Eine Weile war in der Stille des Raumes nur das
Klicken des Schreibutensils zu hören.
»Ich war zu Hause. Selbstverständlich.«
»Und das kann Ihre Frau bezeugen?«, fragte Christoph.
»Ja. Sicher.«
»Schön, dann werden wir sie befragen. Wir finden sie
in der Klaus-Groth-Schule in Heide.«
»Ja. Natürlich.«
»Ihre Frau hat sicher ein Handy.«
Van Oy fuhr sich fahrig mit der Hand durchs Gesicht.
»Warten Sie. Das ist so … Also, meine Frau ist in dieser Woche auf
Klassenreise. Ich war allein zu Hause.«
»Eben haben Sie noch etwas anderes behauptet.«
Schweißperlen traten auf der Stirn des Mannes auf. »Es
war ein Irrtum. Ich war ein wenig abwesend, und weil meine Frau sonst immer zu
Hause ist, habe ich es gesagt. Wundert es Sie, dass ich nervös bin bei den
merkwürdigen Dingen, die sich rund um meine Schule ereignen?«
Der Schulleiter sah Christoph mit flehendem Blick an.
»Ich war es nicht. Wirklich. Zu solch schändlichem Verbrechen wäre ich nie
fähig.«
Sie hatten den Mann in die Enge getrieben. Er war
sichtbar mit den Nerven fertig. Aber den Mord an der Lehrerin konnte man ihm
nicht beweisen. Noch nicht, würde Große Jäger jetzt sagen, wenn wir uns darüber
austauschen könnten, dachte Christoph. Jedenfalls hatten sie van Oy mehrfach
dabei erwischt, dass er die Unwahrheit gesagt hatte. Eine schlüssige Erklärung,
warum er sie belog, war er schuldig geblieben.
Der Schulleiter wischte sich mit dem Ärmel über die
Stirn. »Warum ist in den letzten Tagen alles so furchtbar hier?«, jammerte er.
»Haben Sie schon eine Spur im Fall Rebecca zu Rantzau? Wissen Sie, wer das
Mädchen so entsetzlich zugerichtet hat?«
»Wir arbeiten daran«, wich Christoph aus und
verabschiedete sich. Sie ließen einen völlig aus der Fassung geratenen Mann
zurück.
»Warum hat der so reagiert?«, fragte Große Jäger, als
sie wieder im Auto saßen. »Dazu gab es doch keine Veranlassung? Der Bursche hat
etwas zu verbergen. Wenn wir wüssten, was, wären wir vielleicht ein Stück weiter.«
»Er ist nicht der Einzige, der sich in Schweigen
hüllt. Weshalb hast du nicht erzählt, dass du gestern Abend hier warst?«
Große Jäger machte eine abwehrende Handbewegung. »Ach,
nur so. Das war privat. Es ist nicht verboten, nach Feierabend ein Bier zu
trinken.«
»Das ist doch eine dumme Ausrede. Eine Werkzeugkammer
in einer Schule ist nicht der übliche Ort, wo du deinen Durst zu stillen
pflegst. Ich fürchte, hierzu solltest du dir noch eine Erklärung einfallen
lassen. Du bist doch sicher nicht nüchtern gewesen, als du nach Husum
zurückgefahren bist. Das ist ein unverantwortliches Verhalten, das ich in
keiner Weise akzeptieren kann.«
Der Oberkommissar schwieg eine Weile. Schließlich
startete er den Motor. »Wohin fahren wir jetzt?«, fragte er.
»Zur Wohnung von Fouad al-Shara.«
»Warum das? Die örtliche Polizei hat das unter
Kontrolle. Die werfen regelmäßig einen Blick auf das Haus.«
»Gestern warst du so erpicht darauf, den libanesischen
Jungen zu fassen, weil er Hilke angegriffen hat. Und jetzt willst du es den
Kollegen von der Schutzpolizei überlassen.«
Große Jäger trat auf die Bremse. Dann sah er Christoph
an. »Was soll das eigentlich? Du hackst fortwährend auf mir herum. Was habe ich
getan?«
»Du legst ein merkwürdiges Verhalten an den Tag. Ich
durchschaue das Spiel. Du warst gestern in Friedrichstadt, um Fouad zu suchen.
Deshalb bist du auch um die Schule herumgeschlichen, weil wir den Jungen dort
schon einmal gesehen haben. Dass der Abend in einem Besäufnis mit
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