Tod am Kanal
die Identität. Außerdem bleibt noch die
Spurensicherung. Vielleicht haben die Papiere gefunden.«
Ein Schauder durchlief Christoph, als er sich noch
einmal das Bild des Opfers vor Augen rief. Es gab Aufgaben bei der Polizei und
den Rettungsdiensten, die er nicht hätte übernehmen wollen.
Bis zur Spitze der Halbinsel waren es über vierzig
Kilometer. Als sie Garding passierten, ohne dass Christoph in die kleine Stadt
abbog, fragte Große Jäger erstaunt: »Ich dachte, du wolltest noch einmal zur
Wohnung von Ina Wiechers?«
»Ich glaube, dort bekommen wir keine neuen
Erkenntnisse. Der Vermieter hat alles erzählt, was er gesehen und gehört hat.
Die Räume haben wir auch durchsucht.«
»Wäre es nicht interessant, noch einmal zu fragen,
welche Männer dort aufgekreuzt sind? Immerhin könnte eine Beziehungstat
vorliegen. Verschmähte Liebe. Oder das Gegenteil. Die Frau hat sich an jemanden
geklammert, dem das aus irgendeinem Grund nicht gefiel, weil er zum Beispiel
verheiratet oder anderweitig gebunden ist.« Große Jäger schwieg einen Moment.
»Mir fällt noch etwas ein. Wissen wir, ob die Frau schwanger war?«
»Das Obduktionsergebnis liegt uns noch nicht vor«,
sagte Christoph.
Der Oberkommissar brummte etwas Unverständliches,
während er zum Telefon griff. »Da sollte sich das Kind nützlich machen.« Kurz
darauf hatte er Mommsen am Apparat. »Christoph ist damit beschäftigt, mich
bedächtig durch Eiderstedt zu schaukeln, und kann zu seinem großen Bedauern Dr.
Braun in Kiel nicht selbst anrufen.«
Christoph registrierte, wie ihm Große Jäger einen
spöttischen Seitenblick zuwarf.
»Schweren Herzens hat er mich deshalb beauftragt, dir
auszurichten, dass du dich bei der Rechtsmedizin nach der Untersuchung Ina
Wiechers’ erkundigen sollst.«
»Der lügt«, rief Christoph dazwischen.
»Ich?«, fragte Große Jäger erstaunt ins Telefon. »Das
glaubst du doch nicht, oder?«
Nachdem Mommsen versprochen hatte, sich der Sache
anzunehmen, lehnte sich der Oberkommissar entspannt zurück und gähnte herzhaft,
ohne die Hand vor dem Mund zu halten. »Jeder andere hätte jetzt Feierabend,
weil die acht Stunden rum sind. Nur wir sind noch auf Achse.«
»Wirst du für die Stunden oder für deinen Job
bezahlt?«, fragte Christoph.
»So viel kann mir Vater Carstensen gar nicht
überweisen, dass ich mich gerecht entlohnt fühlen würde«, erwiderte Große
Jäger, gähnte erneut und schloss die Augen.
Christoph war sich nicht sicher, ob sein Mitfahrer
nicht eingedöst war. Als sie vor dem Haus von Isabelle von der Hardt hielten,
sahen sie das dunkelblaue Dreier- BMW -Cabrio,
das von Simon Feichtshofer bei ihrem ersten Besuch hingebungsvoll geputzt
worden war. Von Nicos Suzuki war nichts zu sehen.
Ihr Klingeln blieb ungehört. Als sie das Haus
umrundeten, fuhr der blonde Fitnesstrainer erschrocken aus einem Liegestuhl in
die Höhe. Er hatte sich das Möbelstück in eine windstille Ecke geschoben und
entspannt an einem Glas mit einer fruchtig aussehenden Flüssigkeit genuckelt.
»Wer hat Sie hereingelassen?«, begrüßte er die beiden
Beamten.
»Ich«, entgegnete Große Jäger in einem Tonfall, als
wäre es das Selbstverständlichste der Welt, dass er hier Hausrechte genoss.
»Ist Ihre Chefin da?«
Es dauerte eine Weile, bis die Provokation bei
Feichtshofer angekommen war. »Isabelle ist nicht meine Chefin. Wir sind
Lebenspartner.«
Der Oberkommissar lachte auf. »Partner? Ich habe
nachgesehen. Von einer gleichberechtigten Partnerschaft ist nichts
eingetragen.«
Feichtshofers Antlitz hatte einen fast dümmlichen
Ausdruck angenommen. »Was? Wie? Wo nachgesehen?«
Große Jäger ersparte sich die Antwort. Was hätte er
auch sagen sollen?, dachte Christoph.
»Ist denn Ihr Juniorchef zu Hause?«, fragte der Oberkommissar.
Feichtshofer schnellte aus seinem Liegestuhl hoch.
Zornesröte überzog sein Gesicht.
»Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, dass ich kein
Angestellter bin. Und dieser Rotzlöffel hat schon gar nichts zu melden.«
»Statt Ihren Kreislauf zu schädigen, können Sie mir
doch einfach sagen, ob Nico anwesend ist.«
Der Mann ließ sich wieder in den Stuhl fallen. »Woher
soll ich das wissen? Ich bin doch nicht sein Kindermädchen.«
»Ich weiß«, stichelte Große Jäger. »Sie sind hier als
Autowäscher beschäftigt.«
Bevor das Geplänkel weiter eskalierte, mischte sich
Christoph ein.
»Wir haben ein paar Fragen an Sie. Es ist natürlich
auch möglich, dass wir Sie mitnehmen und Sie uns die
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