Tod am Kanal
Antworten auf der
Dienststelle in Husum geben.«
»Dürfen Sie das überhaupt?«
»Logisch«, klärte ihn Große Jäger auf. »Wenn Gefahr im
Verzug ist, dürfen wir eine ganze Menge.« Er tippte sich mit dem Finger gegen
die Brust. »Und ich definiere, wann dieser Zustand eingetreten ist.
Dafür habe ich eine Menge vorbildlicher Muster für das Protokoll in meiner
Sammlung.«
Christoph musste sich Mühe geben, ernst zu bleiben.
Man hätte Große Jäger selbst unter Androhung einer Disziplinarstrafe nicht dazu
bewegen können, sich des leidigen Papierkrieges anzunehmen. Wenn seinem
Kollegen einmal der Zutritt zum Himmel verweigert werden würde, dann wegen
seiner ohne jede Scheu vorgetragenen Lügen.
»Nicos Auto ist nicht da. Das sehen Sie selbst.«
»Mensch. Wäre ich blind, würde ich eine Brille
tragen.«
Bei diesem Ausspruch des Oberkommissars sahen beiden
automatisch Christoph an.
Feichtshofer machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Keine Ahnung, wo der Idiot steckt. Vielleicht ist er in seinem Stall da oben.«
Er deutete mit seiner ausgestreckten Hand auf ein Mansardenfenster unter dem
Strohdach.
»Sie haben ihn heute noch nicht gesehen?«
»Nein.«
»Es scheint Sie auch nicht zu interessieren, wo der
Junge steckt.«
»Weshalb? Der Arsch kann mich kreuzweise …«
»Wo ist Frau von der Hardt?«
»Die ist gestern früh nach Düsseldorf.«
Große Jäger ließ sich die Handynummer der Frau geben.
»Sie müssen Nico doch gehört haben? Er war heute nicht
in der Schule. Und das Auto fehlt.«
»Wenn der pennt, dann hört man nichts von ihm. Was
weiß ich.«
»Dann sehen Sie nach und holen Sie Nico her.«
Feichtshofer verschränkte die Arme vor der Brust. »Bin
ich der Laufbursche?«
Große Jäger griente ihn an. »Wenn ich Ihre Chefin
richtig verstanden habe – ja!«
Erneut sah es aus, als würde der Mann auf den
Oberkommissar losstürmen wollen.
»Es gibt hinreichend Gründe für unsere Frage«, sagte
Christoph. »Haben Sie von dem Unfall heute Nacht auf der Eiderbrücke gehört?«
»Muss ich?«
»Wir kennen die Identität des Opfers noch nicht. Es
handelt sich um einen jüngeren Mann.«
»Und Sie …« Feichtshofer unterbrach seinen Satz. Dann
schüttelte er erregt den Kopf. »Das ist doch Blödsinn! Sie glauben doch nicht
im Ernst, dass das Nico ist?«
»Das wäre einfach festzustellen. Sie gehen ins Haus
und sehen nach, ob der Junge da ist.«
»Wenn Sie dazu zu schwach sind, übernehme ich das«,
ergänzte Große Jäger Christophs Ausführungen.
Der Fitnesstrainer fuhr sich mit gespreizten Fingern
durch sein dichtes Haar, stand dann aber wortlos auf und verschwand im Haus.
Nach wenigen Minuten drangen aus dem Obergeschoss lautstarke Beschimpfungen
durch das geschlossene Mansardenfenster. Deutlich waren die Stimmen von
Feichtshofer und Nico zu unterscheiden.
»Der Junge ist da«, sagte Große Jäger lachend, griff
sich das halb volle Glas des Mannes und schnupperte daran. Mit einem gespielt
angewiderten Gesichtsausdruck stellte er es zurück. »Pfui Deibel. Das ist
Fruchtsaft pur. So etwas Gesundes muss doch krank machen.«
Nach einer Weile tauchte Feichtshofer wieder auf und
wies mit dem Daumen über die Schulter auf das Haus. »Er ist da.«
»Das war nicht zu überhören. Inzwischen können Sie uns
ein paar Fragen beantworten. Wo waren Sie heute Nacht?«
»Ist das eine Scherzfrage?«
»So sehen das nur Komiker. Also? Wollen Sie meinem
Chef nicht antworten?«, schnauzte Große Jäger los.
»Hier«, kam es leise über Feichtshofers Lippen.
»Kann das jemand bezeugen?«, fragte Christoph.
»Pah! Ich war allein im Haus.«
»Kein weibliches Wesen dabei? Da haben Sie doch sonst
keine Hemmungen«, mischte sich wieder der Oberkommissar ein.
»Was soll das? Seid ihr von der Sittenpolizei?«
»Uns interessiert Ihr Verhältnis zu Ina Wiechers und
Rebecca zu Rantzau.«
»Wer erzählt solchen Mist? Etwa der Stinkstiefel da
oben?« Feichtshofer warf einen Blick über die Schulter zum Mansardenfenster.
»Wir haben andere Zeugen. Außerdem sind noch nicht
alle Spuren ausgewertet. Wenn Sie jemals in Ina Wiechers’ Wohnung waren, dann
werden wir das feststellen können.«
»Und wenn Sie mit der Frau gebumst haben, kriegen wir
das über die DNA auch heraus«,
ergänzte Große Jäger.
»Ist das verboten? Wir sind erwachsene Menschen. Und
mit wem ich etwas habe, ist allein mein Ding.«
»Was die Frauen an deinem Ding haben, ist mir egal«,
murmelte Große Jäger halblaut, sodass
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