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Tod am Kanal

Tod am Kanal

Titel: Tod am Kanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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ich
meine, für einen Lehrer. Der soll doch ein Vorbild sein. Und dann ist er nachts
auf Achse. Wie ein streunender Kater. Ich möchte mal wissen, ob der in der
Schule einschläft. Das wäre ja peinlich.« Sie hielt sich wie ein Teenager die
Hand vor den Mund und gluckste leise.
    »Haben Sie Anhaltspunkte, dass Herr van Oy fremdgeht?«
    Plötzlich stutzte die Nachbarin. »Wer sind Sie
eigentlich, dass Sie mich ausfragen? Was geht Sie das überhaupt an?« Ohne
weitere Worte schlug sie die Wohnungstür zu. Hinter dem Holz hörten die beiden
Beamten sie empört schimpfen.
    »Es gibt merkwürdige Mitbürger«, sagte Große Jäger,
als er neben Christoph über den friedlich in der Sonne liegenden Marktplatz
ging. »Immerhin hat uns dieser Drachen von Nachbarin etwas erzählt, was wir
noch nicht wussten. Manchmal muss man auch Glück haben.«
    Christoph bemerkte, dass der Oberkommissar einen
verstohlenen Blick auf den Marktbrunnen warf, an dem Hilke Hauck
niedergeschlagen worden war. Dann wanderten die Augen Große Jägers an den
Fassaden der Giebelhäuser entlang. Am letzten blieb sein Blick haften.
    »Passend zu der Neuigkeit aus dem Munde der
schwatzsüchtigen Frau erinnere ich mich an eine Weisheit, die mir irgendwer
einmal nahegebracht hat: Wer ewig auf den Beinen ist, dem kann nichts in den
Schoß fallen.«
    Christoph hatte das Café auch bemerkt. »Wenn du nicht
›ewig auf den Beinen‹ sein willst, heißt das bei dir, dass du dort drüben eine
Pause einlegen möchtest.«
    »Kannst du Gedanken lesen?« Große Jäger griente.
    »Ja. Du auch?«
    Sichtbarer Missmut zeigte sich auf dem Antlitz des
Oberkommissars. »Ich fürchte – ja. Du willst nicht in die Konditorei.«
    »Stimmt.«
    Sie überquerten die Gracht über die hölzerne »Kleine
Brücke«, unter der das Kanu mit der toten Lehrerin gefunden worden war. Im
stillen Wasser spiegelte sich der Rundbogen der steinernen »Großen Brücke«.
Christoph fühlte sich für einen Moment nach Holland versetzt. Aber bestimmt gab
es in ganz Amsterdam keinen Fleck, der so ruhig und beschaulich war wie dieser.
    »Hier ist alles so friedlich, dass man sich kaum
vorstellen kann, dass hier ein Mord geschehen ist«, sagte Christoph.
    »Das ist auch besser so. Sonst graust sich die eine
Hälfte der Menschheit. Und die andere wird durch die Gier nach Sensationen
angezogen.«
    Sie standen vor dem Haus der Familie Hauffe und
mussten einen Moment warten. Ein Stück weiter war ein Kellner im idyllischen
Biergarten am Ufer des Burggrabens damit beschäftigt, die Tische und Stühle für
den zu erwartenden Besucheransturm herzurichten.
    Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis ihnen Renate
Hauffe die Tür öffnete.
    »Ach, Sie sind das«, sagte sie und strich sich mit der
Hand eine Haarsträhne aus der Stirn.
    Sie wirkte ungepflegt und war nachlässig gekleidet.
Unter den Augen zeichneten sich dunkle Ringe ab. Deutlich war der Alkoholgeruch
wahrnehmbar, der von ihr ausging.
    »Wir möchten gern mit Ihnen und Ihrem Mann sprechen.«
    »Dem geht es nicht gut. Das alles hat ihn mitgenommen.
Und dann gestern … der Ausraster.« Sie machte eine einladende Handbewegung.
»Kommen Sie doch rein.« Dann stiefelte sie voran die Treppe hoch und führte die
beiden Beamten in das Wohnzimmer. Der Raum machte einen unaufgeräumten
Eindruck. Auf dem Tisch lag die zerfledderte Tageszeitung. Daneben standen eine
angebrochene Flasche Grappa und ein einsames Glas. Als die Frau den Blick der
Polizisten registrierte, fragte sie: »Möchten Sie auch einen?«
    Christoph lehnte für beide ab. Er verkniff sich ein
Schmunzeln bei dem Gedanken, dass sein Kollege nicht in allen Situationen
konsequent eine solche Einladung ablehnen würde.
    Frau Hauffe stand einen Augenblick unsicher im Raum
und hielt sich ihren Morgenmantel, den sie übergeworfen hatte, am Kragen zu.
    »Ich war heute noch nicht draußen«, sagte sie
entschuldigend. Dann zeigte sie auf die Plätze am Esstisch. »Nehmen Sie doch
Platz. Ich koche erst mal einen Kaffee.« Sie wartete die Antwort gar nicht erst
ab.
    »Wir hätten auch gern Ihren Mann gesprochen«, rief ihr
Christoph hinterher und wusste nicht, ob sie es noch gehört hatte.
    Während sie es in der Wohnung rumoren hörten, sah sich
Christoph im Zimmer um. Die Hauffes waren knapp über vierzig. Der nahezu muffig
wirkende Einrichtungsstil passte nicht zu dieser Generation. Es wirkte, als
hätte das Ehepaar die Möbel der Großeltern übernommen und sich darin
eingerichtet. Alles sah ein wenig

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